218
Sehen wir die Vasen diese Bedeutung einnehmen und mit den Sym-
bolen der höchsten Macht in Verbindung gesetzt, so werden wir uns nicht
wundern, wenn wir ihnen sonst im Cultus und auch im privaten Leben
auf Schritt und Tritt begegnen. Bei den Opfern, die man in den Tem-
peln den Geistern und im Hause den abgeschiedenen Vorfahren darbringt,
werden sie als Räucher-Gefasse (Hiang), zur Aufnahme des Opferweines
(Tsun, Y, Luy), zur Darbringung „fester" Opfer (Reis), (Kouei, Fou) und
endlich als Waschgefasse (Puen, Fung) angewendet. Dabei wechselt
ihre Form, Anzahl und das Materiale, aus dem sie gemacht sind, nach
ihrer Bestimmung und dem Bange des Opfernden; so brauchte ein Kaiser
der alten Zeit neun Vasen, ein Vornehmer sieben, ein Staatsminister tiinf
und ein Gelehrter drei. Auch jene Bedeutung, die in Europa Di-
plome, Orden und Ehrenzeichen einnehmen, die Anerkennung von Seite
des Herrschers an verdienstvolle Beamte, kam wenigstens in früherer Zeit
in China den Vasen zu.
Hierbei richtete sich das Material nach dem Bange des zu Be-
schenkenden, z. B. Eisen für Gelehrte und Literaten. Kupfer für hohe
Staatsheamte, Gold tiir die Vornehmsten des Reiches etc. Derartige Wid-
mungen und Bestimmungen sind meistens durch Inschriiten angedeutet;
so liest man auf einer viereckigen Vase: „Während des 12ten Monates
des Jahres Kang-woo erinnerte sich Se. Majestät des Beamten Yu-she
vom vierten Bange, des Vorstehers des nördlichen Ackerbaubezirkes, und
gab ihm diese werthvolle Vase zum Gebrauche, wenn er seine Ahnen ehrt."
Zumeist ist aber eine ähnliche Bedeutung der Vase nur in der kürzesten
Form durch ein einzelnes Zeichen oder Ornament (wie wir weiterhin sehen
werden) angedeutet, und damit diesem Usus nicht der Revers fehlt, wird
auch der Ausdruck der allerhöchsten Unzufriedenheit, das, was man etwa
einen gelinden Verweis nennen könnte, durch ein dann etwas zweifelhaf-
tes Geschenk einer Vase ausgedrückt. Diese führen den Charakter I2
Keen d. h. „AnfrichtigkeiW, und sind in ihrem Materiale um einen Grad
niederer als derjenige, der der Stellung des also zurecbtgewiesenen Beam-
ten zukommen würde. Häufig ist daran auch noch durch irgend ein
Symbol die Tugend angedeutet, gegen die der Schuldige sich vergangen
hat. Besonders gefürchtet mochte die Üebersendung eines Bechers aus
Rhinoceroshorn gewesen sein. „Gib ihm den Rhinocerosbecher", heisst
es im Schi-hing bei der Aufzählung der Uebelthaten eines schlechten
vortreßlichen Holzschnitten dargestellt, darunter allein 1400 Vasen. Manche von diesen
sind aus inschriftliehen und sonstigen Gründen ihrer Entstehungszeit nach dem Beginne
der ShangVDynastie zugeschrieben, was einem Alter von 350") Jahren gleichkommsn würde!
- Das Po-ku-tn ist das Unternehmen eines Privatmannes, der Zeit, Kosten und grosse
Mühe darauf verwendete, die in China zerstreuten alten Vasen zu untersuchen und zu
beschreiben. Die im Po-ku-tu sind also simmtlich von denen in Si-thing-kon-kien
verschieden.