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spüren konnte, wird sich den Künstler ins klein-
tigurige Format übersetzt nicht mehr vorstellen
können. Der Kern dieser Vorliebe wurzelt noch
im 14. Jahrhundert und mag in einer Schulung
in der Dombauhütte, der Kenntnis der Kathe-
dralplastik, seinen Aufträgen für große Altar-
werke und nicht zuletzt in der erst am Beginn
der Entwicklung stehenden Flügelaltarkunst zu
suchen sein.
Ein weiteres Charakteristikum stellt die nicht zu
verleugnende Abhängigkeit von dem üppigen,
stilisierten Kaskadenstil der Schönen Madonnen
dar. Man könnte sagen, der Meister kehrt nach
der unwirklichen, hoch stilisierten Faltengebung
des Weichen Stils zurück zur Natur und umgibt
seine Madonnendarstellung mit einem neuen,
naturalistischeren Gewand. Dieses Eindrucks kann
man sich auch bei unserem reifen Schulbeispiel,
der Freisinger Madonna, nicht erwehren. Der
seitlich geneigte Kopf, das noch etwas vor-
gewölbte Becken und der schwer am Körper
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anhaftende Stoff, der wie in der Zeit der
Schönen Madonnen von einem Modisten künst-
lich gelegt scheint, beinhaltet nach weitgehend
die ausgeprägte Stilisierung der vergangenen
Epoche. Die Faltengebung selbst, bewußt zum
„Naturalismus" zurückgebracht, erscheint nun,
wie sie mit der Hand modelliert und gelegt wer-
den könnte, aber immer noch nicht, wie sie sich
von selbst ergeben würde. Schwere Rährenfalten
wechseln mit laschenartigem Durcheinander, des-
sen Endresultat und besonderen Reiz ein kurioses
Spiel der Säume ergibt. Es wäre müßig, sich hier
in Beschreibungen von Faltengehängen und
Rockaufstäßen zu verlieren, könnte doch iedes
einzelne Detail aus anderen Werkstätten und
Schaffensepochen zusammengetragen werden.
Das Wesentliche ist der Gesamteindruck dieser
künstlich gelegten Naturfältelung, fast als wäre
diese im Liegen modelliert, mit ihren überaus
großen Mantelumschlägen, die zweifellos dem
Reiz des andersfärbigen Futtermaterials ent-
sprungen sind. Die gleiche Überlegung gl
für das Kopftuch bis herab zum Zipf, d
Jesuskind ergriffen hat: das Spiel des S
neu drapiert, aber dennoch stark mi
Weichen Stil verbunden.
Die Haltung des Kindes ist ein weiteres (
teristikum. Es beginnt sich klar und deutl
seiner Umwelt zu beschäftigen. ln halb lie
Stellung von der Mutter wegstrebend, muE
beiden Händen gehalten werden. Der sch-
angewachsene Knabe mit seinem beacl
Eigengewicht verlangt von der Trägerin
nur eine gespielte, sondern eine tatsc
Standfestigkeit. In diesem Punkt tritt deutl
Weiterentwicklung in der Auffassung de
terfigur zutage, und es ergeben sich darc
in Verbindung mit der eigenartigen, M
klebten Faltengebung neue Aspekte, die
Fürsti bereits in einer Untersuchung üt
kubischen Formelemente der Freisinger M:
eingehend behandelt hat. Schließlich reift