Uebersicht geben wollen. Den ersten Rang darunter behauptet die merk-
würdige überlebensgrosse Statue eines bekränzten, spitzbärtigen Mannes,
von sehr alterthümlichem einfachen Styl, sorgfältiger Ausführung und
tretflicher Erhaltung, - nur der untere Theil der Flisse fehlt. Es mag
die Bildsäule eines Priesters sein oder auch einer Person, welche Gelübde
löst. ln Cypern, woher auch diese Statue kam, fand man in Tempel-
ruinen, wie in jenen von Dali, nicht blos eine ähnliche, die jüngst in der
"Revue archeologiquea abgebildet erschien, sondern auch die Bruchstücke
von noch mehreren gleichartigen, welche, nach den noch vorhandenen
Postamenten zu schliessen, reihenweise im Heiligthum aufgestellt waren.
Das neuerworbene Bildwerk ist nicht blos ein hochinteressantes Beispiel
uralter Tempelsculptur, sondern auch für die Geschichte der griechischen
Plastik in den vom Mutterlande entfernten Colonien überaus wichtig,
indem es im Vergleich mit eigentlich altgriechischen Sculpturen neuer-
dings den grossen Einiiuss darlegt, welchen Vorderasien auf ihre Ent-
wicklung ausübte. '
Zunächst muss ein Venus-Kopf griechischer Arbeit aus der Epoche
des freien schönen Styles hervorgehoben werden, der in vorzüglicher,
feinempfundener Modellirung die von Anmuth und Liebe leuchtenden
Züge der Göttin wiedergibt. Einen Gegensatz zu ihm bildet der aus
Durazzo erworbene Portraitkopf einer alternden, halb mürrisch darein-
sehenden Frau voll frappanter Naturwahrheit. Der Arbeit und der Art
des Haarputzes nach gehört dieses Sculpturwerk der Mitte des dritten
Jahrhunderts n. Chr. an. Es zeigt, dass sich damals die Kunst, wenig-
stens die Kunst der Portraitbildnerei, noch immer auf einer achtbaren
Höhe zu erhalten wusste, - freilich ging es aber von da an rasch genug
abwärts. Ein anderer kleinerer Portraitkopf in Drittellebensgrösse zeigt
die regelmässig schönen, aber finsteren und unheimlichen Züge des Kai-
sers Nero. Ein idealer Frauenkopf (Hera? Tyche?) lässt - eine seltene
Erscheinung -- im leicht geöffneten Munde die obere Reihe der Zähne
sehen. Unter anderen Erwerbungen dieser Abtheilung ist noch ein Relief
der Verfallzeit zu nennen; es ist das Fragment eines Sarkophages nnal
bildet durch seinen Gegenstand - den Kampf der Griechen mit den
Amazonen - ein Seitenstück zu dem berühmten, freilich der glücklich-
sten griechischen Kunstzeit angehörigen Amazonen-Sarkophage der k. k.
Sammlung. Wir finden ähnliche traditionelle Motive der Anordnung,
hier aber in schon roher und handwerksmässiger Ausführung. Die Arbeit
blieb unvollendet und lässt die Punktsetzung noch erkennen, sie bietet
daher auch ein technisches Interesse.
Diese und noch andere weniger wichtige Sculpturen kamen (mit
Ausnahme der Portraitköpfe) aus Kleinasien, - von dort und zwar aus
Erythraea stammt auch eine Stelle mit einer griechischen Inschrift in 55
Zeilen von trefflicher Erhaltung; sie bringt einen, wie wir vermuthen,
von den Mytileuäern gefassten Volksbeschluss zur öffentlichen Kenntniss: