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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 84)

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1 Dieser. Wahl des Stoffes zufolge trägt die Ausstellung demnach ganz 
den Charakter einer Musterausstellung, die den Zweck hat, unserm modernen 
und ganz besonders wieder dem Wiener Goldschmiedehandwerk zum Vor- 
bilde zu dienen. Die oben bezeichneten Arbeiten machen den grösseren 
Theil auch derjenigen Schöpfungen aus, deren Anfertigung heutzutage von 
dem Juwelier gefordert werden; kaum für einen dieser Aufträge dürfte 
der Wiener Goldarbeiter die schönsten Beispiele in unserer Collection ver- 
missen, für viele aber wird er, sowohl was den Geschmack und Styl, als 
was die Technik betrifft. Lösungen vorfinden, welche die alte Zeit mit 
Geschick gehandhabt hat, welche der modernen Arbeit aber zum Theil 
ganz verloren gegangen sind; wir meinen z. B. die Anwendung von Email 
und Niello in den alten Formen. 
Wer so recht aus dem Grunde kennen lernen will, wie ein uraltes 
Kunstgewerbe, das sich der stolzesten Vergangenheit rühmen darf, in 
neuerer Zeit in Verfall gerathen kann, der vermöchte diese Ueberzeugung 
kaum auf eine geschicktere Art gewinnen, als wenn er einen Gang durch 
die Strassen unserer Stadt, an den Schaufenstern der Goldarbeiter vorüber 
und dann in den Saal des Museums unternimmt, welcher C118 hier besprochene 
Ausstellung enthält. Es würde ihm augenblicklich evident werden, dass 
hier eine Welt von Schönheit aus der Vorzeit entgegentritt, reich an geist- 
volien Ideen und geschmackvollsten Lösungen aller Aufgaben des Kunst- 
zweiges, - dass da draussen für das moderne Gewerbe diese reiche Welt 
vergessen und unbeachtet ist, und seine Vertreter es mit dem ärmlichsten 
Betreiben ihres Werkes, hingegeben an die Forderungen der Mode statt 
der Kunst, ohne Klarheit, Styl und Richtung, in einer verkommenen 
Manier hinfristen. Jene schlimme Zeit, welche für die Kunst und für das 
Kunstgewerbe der Vorfahren das Wort: altfränkisch aufgebracht hat und 
mit mitleidigem Lächeln auf die Beweise einer herrlichen Kunstblüthe 
früherer Jahrhunderte herabzublicken begann, hat allmälig mit dem edlen 
Styl und Geschmack der Vorzeit, den sie absichtlich verwarf und verach- 
tete, unmerklich auch manch' anderes eingebüsst, was mit demselben innig 
verbunden war, - manche schöne alte Techniken, das Festhalten der 
Arbeit an den ewig giltigen Grundregeln des Styls und der Logik in der 
Erfindung, endlich vor Allem auch die liebevolle Sorgfalt in der Ausführung 
ihrer Werke. Der Zusammenhang mit der bisherigen Entwicklung der Kunst 
war vielfach abgebrochen, an die Stelle trat die Herrschaft der Mode des 
jeweiligen Geschmacks des Tages, dessen unsinnige Anforderungen nun 
das geistige Element, den Motor der Erfindung abgeben musste. So sieht 
denn die Gegenwart in dem Goldschmiedehandwerk eine von ihrer uralten 
Tradition vollständig abgetrennte Gewerbthätigkeit, die, auf der niedrigsten 
Stufe stehend, unwürdiger Mode dient und die rechte Schwester jener echt 
modernen Industrien der Galanterie- und Nouveautes-Artikel genannt zu 
werden verdient, die das Sinnloseste am liebsten auf den Markt bringt, 
wenn es nur überrascht und neu ist, deren höchstes und einziges Ziel das
	        
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