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Geschäft ist und mit Regeln des Geschmackes, ia nur der Vernunft in
Kunstdingen, sich nicht im geringsten Sorge macht.
Man möge doch mit dem Eindrucks, den die Besichtigung der modernen
Wiener Goldarbeiten hervorgebracht hat, - nach der Musterung dieser
Leistungen mit ihrem derben Geprunke des rohen Materials, mit diesem
barbarischen Vorherrschen der Goldmassen ohne künstlerische Bewältigung
des Stotfes, der grellen Zusammenstellung von Edelsteinen und Edelmetall,
ganz zu geschweigen von den Nachahmungen von Lederflechtwerk, den
Hufeisen und Sonnenschirmen, Käfern und Eidechsen, - man möge hin-
treten vor die Reihe der alten Muster, in denen alles Klarheit, Ebenmass,
Verständniss und feines Stylgefühl ist, - um recht die Tiefe der Kluft
zu ermessen, die uns auf diesem Gebiete noch von der wahren Kunst und
Schönheit trennt. Hier möchten wir gerne die Wiener Vertreter des Ge-
werbes ihre Studien machen sehen, aber auch das liebe Publicum, welches
an Fingern, Hals und Ohren die Fabricate desselben umherträgt und somit
eine Gegcnausstellung des Verfalls der edlen Goldschmiedekunst als Folie
diesen reizenden Entwürfen entgegenbringt. Jenes Kunstgewerbe, für das
einst die grössten Meister Zeichnungen lieferten„Mantegna, Perugino,
Raphael, Schongauer, Dürer, Holbein, das einen Ghiberti, Francia, Cellini,
Jamitzer unter die seinen zählte, ist heute Tummelplatz der bedauerlichsten
Modethorheiten geworden, ihm wäre ein schöner Aufschwung wohl vor
allem zu wünschen!
Die Ausstellung enthält zunächst einige Blätter deutscher Meister
aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der schönen Blüthenzeit der
Renaissance in unserem Vaterlande, in welcher sie sich in unendlicher
Frische und Poesie entfaltete. Hieher gehören vorzugsweise die Werke
H0lbein's und der sogenannten Kleinrneister, jene in Zeichnungen vorhanden,
Welche W. Hollar im 17. Jahrhunderte gestochen hat, diese von den Er-
lindern selbst mit aller Feinheit und Delicatesse ihres Stichels ausgeführt.
Es sind die erwähnten prachtvollen Walfenstücke, Dolchscheiden und Degen-
grilfe, reichgeschmtickt mit Figuren und phantasievollem Ornamente. So
der Degen von Holbein mit einem Kämpferpaar und zahlreichen Amoretten,
die prachtvolle Dolchscheide Aldegrevefs, welche uns sinnig genug den
Mord Abel's in einer schöngedachten Gruppe vor's Auge führt, eine ernste
Mahnung für den, dem die Waffe zum Gebrauche diente. Das ist eben
das Wundersame an diesen Werken der alten Kunst, dass sie nicht leere,
nichtssagende Zierstücke allein sind, dass ihr Schmuck zu uns etwas Ernstes
oder Launiges, Pathetisches oder Komisches sagt, dass er überhaupt etwas
Sagt und bedeutet, und nicht wie der Moderne, nicht weiss, wozu er eigent-
lich da ist. Holbein z. B. verstand in erstaunlich sinnvoller Weise, wie
das Woltmann in seinem Buche über den Künstler klar darzulegen weiss,
in dem unendlichen Reichthum der Gestaltungen, die er seinen Walfen
lieh, auch selbst die Bestimmung des Gegenstandes anzudeuten, oh es nun
ein galantes Geschenk, Zierdegen oder ernste Waffe, ob es Eigenthum des
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