Jetzt dagegen ist qs ganzausgemaeht, dass Winckelmann Recht
hatte, wenn er der damals herrschenden Ansicht gegenüber aufstentschie-
denste behauptete: dass lnschriften, Styl und Gegenstände der an den
Vasen angebrachten Malereien für den griechischen Ursprung derselben
Zeugniss ablegen; und die neuesten Forschungen machen es mehr als
wahrscheinlich, dass die grösste Masse aller in Griechenland angefertigten
und von dort über die Länder der alten Welt ausgestreuten bemalten
Thongefässe attisches Fabricat sind.
Es ist nun vor Allem nöthig, dass Sie diese Vasen, welche wir als
Erzeugnisse attischen Gewerbfleisses zu bezeichnen berechtigt sind, nach
ihren wesentlichen Merkmalen würdigen und von den übrigen in Betracht
kommenden Producten verwandter Art zu unterscheiden lernen.
Als die älteste Vasengattung hat zuerst Burgon und in jüngster
Zeit unser College Prof. Conze uns eine Art ganz rohen Thongeschirres
kennen gelehrt Ü, welche auf dem gelblichen Thongrunde mit derbem
Pinsel aufgemalte Zickzacklinien, Rauten, Kreise und ähnliche primitive
Ornamente, dazu in einigen ausgezeichneten Stücken die ersten rohen
Anfänge von Thieriiguren zeigen. Es ist dies das Thongeschirr unserer indo-
germanischen Urheimath, welches die aus dieser gemeinsamen Wurzel her-
vorgegangenen Völker nach ihrer Trennung in die neuen Wohnsitze mit-
genommen und geraume Zeit hindurch noch in der herkömmlichen Weise
forterzeugt haben.
Auf diese älteste Gattung folgt eine zweite, welche wir die Vasen
orientalischen oder orientalisirenden Styls nennen. Während jene rohen
Erzeugnisse indogermanischer Keramik sich naturgemäss an allen denjenigen
Orten finden, oder doch finden können, wo Völker indogermanischen Stammes
hingedrungen sind, im Norden wie im Süden Europas ist der Fundkreis
dieser orientalisirenden Gefässe ein viel enger begrenzter. Er beschränkt sich
auf die Gegenden, wohin _ vornehmlich durch Vermittlung des phöni-
kischen Seehandels - die Producte der Cultur Vorderasiens gedrungen
sind. Und nicht orientalisch im Allgemeinen, sondern speciell vorder-
asiatisch wird man den Styl dieser zweitiltesten Gattung auch passender
zu bezeichnen haben.
Die älteste Art ist in den Sammlungen des hiesigen Museums nicht
vertreten. Dagegen haben wir von der zweiten Gattung einige, wenn auch
nicht gerade hervorragende Stücke, an denen ich wenigstens die Technik
erörtern kann.
Sie hat mit den ältesten Gefassen den hellen, gelblichen Thon ge-
mein, auf dem mit einer bräunlichen, seltener schwarzen Farbe, unter
Zuziehung von Weiss und Violett, die mattglänzenden Malereien aufge-
tragen sind. Die Anordnung der Decoration ist im Wesentlichen auch
dieselbe, wie bei den ältesten Vasen. Sie bewegt sich meistens in con-
') Zur Geschichte der Anflug: griech. Kunn. Wien, Sitz-Bar. der k. Akad. d. W., 1870.