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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 88)

zeugt von der grössten, Freiheit und Sicherheit in der Handhabung der 
Technikf Mit wenigen flott hingesetzten Pinselstrichen ist die dem Raum 
vortrefüich angepasste Composition hingeschrieben; auch hier weder Paus- 
blatt noch Schablone; die Kenntniss der Form, der Sinn für das Schöne, 
Passende und Wirkungsvolle ist selbst dem schlichten Handwerker, der 
diese Vasen bemalte, so in's Blut übergegangen, dass er seine Gedanken 
immer wieder neu und meisterhaft zu entwickeln versteht. In später Zeit 
geht dann allerdings die Freiheit allniälig in Flüchtigkeit über, die äusser- 
liche Lust am raschen Machen, der auf's Effectvolle und Prunkende ge- 
richtete Geschmack drängen mehr und tnehr die tiefere Empfindung und 
den echten Schönheitssinn zurück und endlich verfällt die Technik in 
Manier und Rohheit. 
Denselben Verlauf nimrntü die nebenhergehende Entwickelung der 
Fabrication rothiiguriger Vasen auf schwarzem Grunde. Auf den freien, 
schönen Styl der Blütezeit sehen wir den sogenannten reichen folgen, der 
namentlich in den Prachtvasen unteritalischer Fabrication mit ihren üppigen, 
oft theatralischen Darstellungen und krausen Ornamenten in Roth, schreien- 
dem Weiss und Gelb seinen Höhepunkt erreicht. Flüchtigkeit und Rohheit 
verkündigen auch hier das nahe Ende. Wir können die hellenische Vasen- 
fabrication, wenigstens in diesen ihren provinziellen Ausläufern bis in's 
erste Jahrhundert vor Christa verfolgen. Der römische Geschmack, die 
Herrschaft des römischen Welthandels hat sie zu Grunde gerichtet. - 
Der Ueberblickbüber die ganze Geschichte der geschilderten Fabri- 
cation gewährt uns also das Bild einer völlig normalen Entwickelung, die 
keinem Schwanken, keiner willkürlichen Gewalt oder Laune, sondern nur 
dem Gesetz alles historischen Lebens unterworfen ist. Im Grossen und 
Ganzen hält die Technik nden Naturton des Stoffsu (Semper), in dem sie 
schaltet, fest und wo sie einmal über den einfachen Gegensatz von Roth 
und Schwarz hinübergreift, wie in den eben betrachteten weissgrundirten 
Vasen, da thut sie ihrem Naturstoff desshalb keine Gewalt an, sondern 
sie steigert nur die Wirkung durch wesensverwandte künstlerische Mittel 
und lässt uns im Uebrigen keinen Augenblick im Zweifel über das Ma- 
terial, aus dem das Werk gebildet ist. 
In dieser Stetigkeit, in dem treuen Festhalten der naturgerechten, 
einfachen Mittel ist die erste und vornehmste der Ursachen zu suchen, 
welche die Bliithe der hellenischen und speciell der attischen Thon- 
fabrication herbeigeführt haben. Die Gewalt der Mode. die Sucht nach 
dem Neuen, welche über unser kunstgewerbliches Schaffen Jahr aus Jahr 
ein kleine und grosse Siege davonträgt, prallte damals an dem tiefen Sinn 
für das Gesetzmässige und an der Abneigung vor jeder Willkür ab. So wie 
die Griechen in ihrer Plastik, um einen Ausdruck Rurnohfs zu gebrauchen 
(Italienische Forschungen I, 26), nzuerst die innejie, nothwendige, gr- 
gebene Bedeutsamkeit entdeckten, welche über alle Gebilde der Natur 
verbreitet istu und dadurch die wunmittelbarc Verständlichkeit ihrer 
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