zeugt von der grössten, Freiheit und Sicherheit in der Handhabung der
Technikf Mit wenigen flott hingesetzten Pinselstrichen ist die dem Raum
vortrefüich angepasste Composition hingeschrieben; auch hier weder Paus-
blatt noch Schablone; die Kenntniss der Form, der Sinn für das Schöne,
Passende und Wirkungsvolle ist selbst dem schlichten Handwerker, der
diese Vasen bemalte, so in's Blut übergegangen, dass er seine Gedanken
immer wieder neu und meisterhaft zu entwickeln versteht. In später Zeit
geht dann allerdings die Freiheit allniälig in Flüchtigkeit über, die äusser-
liche Lust am raschen Machen, der auf's Effectvolle und Prunkende ge-
richtete Geschmack drängen mehr und tnehr die tiefere Empfindung und
den echten Schönheitssinn zurück und endlich verfällt die Technik in
Manier und Rohheit.
Denselben Verlauf nimrntü die nebenhergehende Entwickelung der
Fabrication rothiiguriger Vasen auf schwarzem Grunde. Auf den freien,
schönen Styl der Blütezeit sehen wir den sogenannten reichen folgen, der
namentlich in den Prachtvasen unteritalischer Fabrication mit ihren üppigen,
oft theatralischen Darstellungen und krausen Ornamenten in Roth, schreien-
dem Weiss und Gelb seinen Höhepunkt erreicht. Flüchtigkeit und Rohheit
verkündigen auch hier das nahe Ende. Wir können die hellenische Vasen-
fabrication, wenigstens in diesen ihren provinziellen Ausläufern bis in's
erste Jahrhundert vor Christa verfolgen. Der römische Geschmack, die
Herrschaft des römischen Welthandels hat sie zu Grunde gerichtet. -
Der Ueberblickbüber die ganze Geschichte der geschilderten Fabri-
cation gewährt uns also das Bild einer völlig normalen Entwickelung, die
keinem Schwanken, keiner willkürlichen Gewalt oder Laune, sondern nur
dem Gesetz alles historischen Lebens unterworfen ist. Im Grossen und
Ganzen hält die Technik nden Naturton des Stoffsu (Semper), in dem sie
schaltet, fest und wo sie einmal über den einfachen Gegensatz von Roth
und Schwarz hinübergreift, wie in den eben betrachteten weissgrundirten
Vasen, da thut sie ihrem Naturstoff desshalb keine Gewalt an, sondern
sie steigert nur die Wirkung durch wesensverwandte künstlerische Mittel
und lässt uns im Uebrigen keinen Augenblick im Zweifel über das Ma-
terial, aus dem das Werk gebildet ist.
In dieser Stetigkeit, in dem treuen Festhalten der naturgerechten,
einfachen Mittel ist die erste und vornehmste der Ursachen zu suchen,
welche die Bliithe der hellenischen und speciell der attischen Thon-
fabrication herbeigeführt haben. Die Gewalt der Mode. die Sucht nach
dem Neuen, welche über unser kunstgewerbliches Schaffen Jahr aus Jahr
ein kleine und grosse Siege davonträgt, prallte damals an dem tiefen Sinn
für das Gesetzmässige und an der Abneigung vor jeder Willkür ab. So wie
die Griechen in ihrer Plastik, um einen Ausdruck Rurnohfs zu gebrauchen
(Italienische Forschungen I, 26), nzuerst die innejie, nothwendige, gr-
gebene Bedeutsamkeit entdeckten, welche über alle Gebilde der Natur
verbreitet istu und dadurch die wunmittelbarc Verständlichkeit ihrer
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