Kunstgebilde erzielten, welche wir täglich bewundern, ohne jederzeit deren
wahren Grund uns einzuräumenu: ganz ebenso haben sie auch auf dem
von uns betrachteten Gebiete des Handwerks die natürlichen, zweckent-
sprechenden Typen der Formen geschaffen und die Gesetze des ihnen dar-
gebotenen Materials in ihrem ursprünglichen und eigenen Sinne mit un-
beirrtel" Consequenz in Anwendung gebracht.
Zur Erzeugung und Festigung dieser Stetigkeit und Gediegenheit
des Sinnes bei aller sonstigen Freiheit und Genialität war unter den
griechischen Städten keine glücklicher disponirt als Athen. Die Athener
nennen sich schon bei Herodot das älteste Volk, das allein von den
Griechen seinen Wohnplatz nie verändert habe, und Thukydides preist
seine Heimat desshalb glücklich, weil sie nicht so steten Veränderungen
und Umwälzungen unterworfen gewesen sei, wie andere hellenische Städte,
und erklärt daraus die hohe Blüte ihrer Cultur. Das athenische Volk
theilt ohne Zweifel mit dem ionischen Stamm, dem seine Urbestandtheile
angehören, die Beweglichkeit und Empfänglichkeit des Sinnes; aber es
trägt unter dieser beweglichen Hülle einen festen Kern echtester Tüch-
tigkeit und Ausdauer: Eigenschaften, die den Betrachter jener Marmor-
tempel der Akropolis in Staunen setzen, an denen man nicht weiss, was
man mehr bevrundern soll, die Grossartigkeit und den Geist der Con-
ception oder die unsägliche, für unsere Techniker geradezu unfassbare
Feinheit der Ausführung auch des kleinsten Details.
Ohne Zweifel waren die allgemeinen gewerblichen Verhältnisse in
Athen der Erringung dieses hohen Grades technischer Vollendung aus-
nehmend günstig. Es ist bekannt, dass die griechischen Philosophen das
Handwerk als etwas den freien Mann Entwürdigendes den Sklaven oder
den Schutzbefohlenen Fremden zuweisen wollten, und aus zahlreichen
Aeusserungen der Alten geht hervor, dass auf dem Betriebe des Hand-
werks im Allgemeinen ein gewisser Makel lag. Aber wenn auch die
eigentlichen Arbeiter, namentlich in den grossen Städten, zur Zeit der
höchsten industriellen Blüthe sicher in der Mehrzahl Sklaven waren und
in Athen der grösste Theil des selbständigen Gewerbebetriebes in den
Händen von eingewanderten Fremden (den sog. Metöken) lag, so steht doch
gerade bei der attischen Thonfabrication auch die Betheiligung des eigent-
lichen Bürgerstartdes ausser Zweifel. Die Thonarbeit, die schon wegen
ihrer Verkettung mit der Plastik in höheren Ehren stehen musste, galt
für eine der ältesten, von der Göttin Athena, dem Hephästos und Pro-
metheus beschützten Kunstfertigkeiten. Um ihre Entwicklung sollten sich
die Athener, der Sage nach, durch die Erfindung der Töpferscheibe und
des Brennofens schon in grauer Vorzeit verdient gemacht haben. Eine
eigene Gaugenossenschaft (Demos) der Kerameis (Töpfer) mit ihrem Heros
Keramos (Thon) an der Spitze tritt uns in Athen entgegen und dem ent-'
spricht ein besonderes Quartier im Nordwesten der Stadt, der Kerameikos,
das Töpferviertel, in dem die Fabriken und Auslagen der Thonarbeiter