Waltausstollung l873.
Industrielle Arbeiten von IMIettantinnzn.
Wie bekannt, umfasst das Programm der Weltausstellung 1873 eine
Specialausstellung von Frauenarbeiten. welche vier Abtheilungen begreift,
und zwar: a) Die Ausstellung der weiblichen Schulen; b) die Ausstellung
der weiblichen Hausindustrie; e) die Ausstellung der Frauenarbeiten auf
industriellem und kunstgewerblichem Gebiete, und d) die Ausstellung der
literarischen Productionen der Frauen. .
Von allen diesen Abtheilungen ist es die sub c) bezeichnete, welcher
das vielfachste Ausstellungsmateriale zufällt und welche das ausdehnbarste
Gebiet begreift. lhr fallen erstens alle jene Arbeiten anheim, bei denen
Frauenhände im Sinne moderner Industrie thätig sind; sie begreift zweitens
das Gebiet des Kunstgewerbes von seinen Anfängen an bis hinauf zur
höchsten Verfeinerung, wo es die Grenzen der eigentlichen Kunst berührt;
und drittens alle Arten industrieller Arbeiten von Dilettantinnen, d. h.
alle jene Handarbeiten, welche von Frauen nicht ausschliesslich um des
Erwerbes willen angefertigt werden.
Diese besondere Sub-Abtheilung der Frauenausstellung hat den
Zweck, ein bisher ganz unfxbersehbares Gebiet der weiblichen Thätigkeit
zu klarer, übersichtlicher Anschauung zu bringen. ln allen anderen Ab-
theilungen der Ausstellung tritt die Leistung der Frauen gleichsam cor-
porativ auf, sie ist mehr oder weniger eine bekannte Grösse, die sich hier
vor dem Auge des Beschauers summirt. Bei der Dilettantenarbeit ist dies
anders; sie ist das Resultat zerstreuter, zusammenhangsloser Einzelthätig-
keit, welche, in ein Gesammtbild gebracht, reiche Belehrung und inter-
essante Aufschlüsse geben wird. Wir werden aus dieser Ausstellung,
welche naturgemäss Ausstellerinnen aus allen Ständen finden wird, die
Richtung des Geschmackes der Jetztzeit, die Höhe des Verständnisses für
Schönheit und Zweckmässigkeit weiblicher Handarbeiten ersehen, und in-
wieferne die Frauen diesbezüglich in den letzten zehn Jahren, welche
diese Ausstellung umfasst, Fort- oder Rückschritte gemacht haben; wir
werden manches Product weiblichen Fleisses und weiblicher Phantasie
kennen lernen, das die Grenzen des l-lerkömrnlichen überschreitend vom
Ausstellungssaale aus vielleicht den Weg durch die Welt machen wird,
während es ohne diese Veranlassung in Einsamkeit verloren und verborgen
geblieben wäre.
Es werden Jahre vergehen, ehe sich abermals für die Frau die Ge-
legenheit ergibt, so wie hier mit den Resultaten ihrer stillen, einsamen
Thätigkeit vor das Forum der Welt zu treten, aus den Leistungen an-
derer Frauen durch Vergleichung Nutzen zu ziehen und aus der Freude,
die sie bisher durch ihre Kunstfertigkell sich selber geschaffen hat, das
Vergnügen und die Theilnahme von tausenden von Menschen erwachsen
zu sehen. - Das Specialprogramm und Reglement für die Ausstellung
industrieller Arbeiten von Dilettantinnen ist in seinen Hauptpunkten fol-