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oder die sich in alle ihre Lebensverhältnisse einmischende Orthodoxie von Byzanz. Der
Bogumile brauchte keine Kirche; er kannte keine Hierarchie; die auserwählten Lehrer der
Religion, die sogenannten Djeds oder Älteren, kamen ihnen wie Zauberer vor, die sie im
Nothfalle anrufen und, wenn das nicht half, auch züchtigen durften; die Religion legte ihnen
kein Hinderniß in den Weg, um ihren Gelüsten freien Lauf zu lassen. Nichts Abstoßendes
war in dieser manichäischen Auffassung; gar bald paßten sie sich dieser Lehre an, und als
im XII. Jahrhundert der ungarische Einfluß vereint mit dem Kreuze eindrang, fand er
eine Bevölkerung, die sich bereits in die neue Religion eingelebt hatte.
Nun begann der große Kampf zwischen dem Papstthum und dem Bogumilenthum
und endete keineswegs mit dem vollständigen Siege der christlichen Idee.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn die große Macht, welche die ungarischen
Ärpaden im XII. und XIII. Jahrhundert inne hatten, vereint mit der kräftigen katholischen
Propaganda von Dalmatien aus zielbewußt die Ausrottung der Boguinilen ins Auge
gefaßt hätte, diese unterlegen waren. Allein diese beiden Mächte verfolgten ihr Ziel von ver
schiedenem Standpunkte aus, indem es dem Papstthume in erster Linie um die Verbreitung
und den Sieg des Katholicismus zu thun war. Die ungarischen Könige hingegen, obzwar sie
als gute Katholiken einsahen, daß die katholischen Interessen mit denen ihres Reiches sich
deckten, bekämpften in erster Reihe den rebellischen Ban, den Vasallen, der sich gegen sie
auslehnte. Daß dieser in ihren Augen auch ein Feind des Katholicismus war, verschärfte
ihr Auftreten, aber leicht machten sie gegenüber der religiösen Propaganda Oppor-
tunitütsgründe geltend, wonach man den Bogen nicht zu straff spannen sollte, damit
die Bane nicht in die Opposition getrieben würden. Die Päpste hingegen, durch ihre
Legaten unterrichtet, begnügten sich vollkommen mit dem religiösen Erfolge und trauten
allzusehr dem Scheine, wenn der bogumilische Bosnjak, gedrängt von den ungarischen
Herrschern, demüthig auf das Kreuz schwur und die Prediger gastlich aufnahm. Immer
wiederholten die gewandten Bane diese Taktik, und immer hatte sie den gleichen Erfolg.
Wenn die ungarischen Waffen einen Erfolg aufwiesen, wurden sie stets in Gottes Namen
und um des Seelenheils so vieler zu bekehrenden Ungläubigen willen durch päpstliche
Briefe aufgehalten, und so lebte der Bogumilismus schlecht und recht weiter.
Zwischen diesen Machtsphären tritt die erste historisch bekannte Persönlichkeit Ban
Kulin auf, der bis zum Jahre 1204 bald die Oberhoheit Ungarns anerkannte und den
Katholicismus annahm, bald aber, der Mönche überdrüssig, als Bogumile lebte und sich
durch Bündnisse mit Ragusa und seinen serbischen Nachbarn zu emancipireu suchte.
Trotzdem hatte die ungarische Oberhoheit Wurzel gefaßt, weil in unmittelbarer Nähe die
slavonischen Comitate an der Save, von ungarischen Geschlechtern als Gutsherren
vertheidigt, immer zur Verfügung der Könige standen. Anderseits aber hatte auch der