bis in die Zeiten der Pompadour erhalten: die Boulle-Arbeit, die mit
dem Tode des alten Boulle, 1732, nicht aufhörte, sondern noch einige
Jahrzehnte hindurch von seinen Söhnen fortgesetzt wurde, freilich bei
gänzlichem Mangel an Originalität in endloser Wiederholung des Alten,
was den Descendenten des grossen Meisters von Mariette den Spottnamen
der "Affen ihres Vatersu eintrug. Bezeichnend ist es aber, dass Oöben,
der Lehrer Riesenefs und mit diesem der Bahnbrecher des neuen Ge-
schmackes an der Holzintarsia, aus der Werkstätte des alten Boulle her-
vorgegangen ist.
Zur Zeit, als die jugendliche österreichische Prinzessin als Gemalin
des Dauphin Paris betrat, war der Umschwung des Styles wohl schon im
besten Gange. Es gilt den Franzosen heute ausgemacht, dass Marie
Antoinette in der Geschmacksreform nur vollendete, was bereits die Frau
v. Pompadour erfolgreich angebahnt hatte. Zur Zeit als Louis XV. starb
(1774), war die neue Stylrichtung bereits zu weit vorgeschritten, als dass
man bei Hofe, wo man doch an der Spitze der Geschmacksreform mar-
schirte, noch Gefallen an einem Möbel von der Art des beschriebenen
hätte findeh können. Andererseits ist schwer anzunehmen, dass Marie
Antoinette ihrer Schwester eine ältere Arbeit -das Product einer über-
wundenen Geschmacksrichtung - zum Geschenke gemacht habe. Wenn
man, wie aus den Rechnungen hervorgeht, alljährlich Unsummen für
neue Möbel ausgab, wird man sich auch nicht besonnen haben, anstatt
des Trägers eines veralteten, altfränkisch gewordenen Geschmackes ein
Werk im neuen siegreichen Style an den Kaiserhof nach Wien zu senden.
Wenn diese Voraussetzungen richtig sind, dann kann das Möbel nur in
der Zeit entstanden sein, da Marie Antoinette noch Dauphine war, somit
in den Jahren 1770-1774, und zwar möglichst nahe dem ersten dieser
Jahre. Leider ergibt der Briefwechsel der erlauchten Frauen, soweit er
(von Arneth und Geffroy) publicirt ist, keinen bestimmten Anhaltspunkt
für die Datirung der Schenkung.
Wir müssen uns daher beschränken einige bezügliche Andeutungen
zu registriren. So lesen wir in einem Briefe der Kaiserin an ihre Tochter
vom l. November 17701 wVous recevrez par ce courier le present que la
Marie Anne vous a destineu, möglicherweise ein Gegengeschenk der
kranken Erzherzogin für unseren Schreibkasten. Dieses Möbel scheint
überhaupt als Schenkobject besonders beliebt gewesen zu sein, denn
Marie Antoinette empfängt im folgenden Jahre einen Schreibkasten als
Geschenk von ihrer Mutter (Brief der Kaiserin vom I7. August 177i:
Mercy me mande, que le petit ecritoire que je vous ai envoye vous a
fait grand plaisirc). Die Intimität der beiden Höfe hat sogar in der zeit-
genössischen Terminologie der Möbel eine Spur hinterlassen. Fürst
Kaunitz, der Anfangs der Fünfziger Jahre als Gesandter am Hofe Louis XV.
in Paris weilte, gilt für den Erfinder des bureau a cylindre, eines