AUGABTEN-
POBZELLAN
M A. RAVANELLl
Auch heute, im 20. Jahrhundert, im Zeitalter der Mechani-
sierung, kann man den Hauch der Romantik bei einem
Besuch in der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten
deutlich spüren, jenes bestimmte Etwas, das schon seit
Jahrhunderten über der Porzellanherstellung schwehtc.
Eine richtige Wiener Spezialität, die selten wie ein anderes
Produkt ihren Stempel der Entwicklung dieser seltsamen
Stadt trägt, isl das Augartcn-Porzellan geworden. Es war
ein langer und oft sehr harter Weg für die verantwort-
lichen Männer der Wiener Porzellanerzeugung, ehe sie
den Ruf ihrer Erzeugnisse auf den heutigen Stand ge-
bracht haben.
Der älteste Techniker des Betriebes - selbst aus einer
alten traditionellen Porzellinerfamilie stammend - führte
die Reporter unserer Zeitschrift durch die Manufaktur, die
gegenwärtig 130 Mitarbeiter zählt.
Er erklärte uns jede wichtige Phase der Herstellung, wäh-
rend er zwischendurch immer wieder mit glänzenden Augen
von denen spricht, die es überhaupt ermöglichten, daß
Österreich heute derartig führend in der Porxellanherstel-
lung ist. Sogar China, das Porzellanursprungsland, ver-
suchte, den Stil des Wiener Porzellans nachzumachen.
Der seltsame spröde Stoff hat eine äußerst lcgcndenumwo-
bene Geschichte. Auf dem indischen Seeweg, von China nach
Europa gebracht, lockte das Geheimnis lange Zeit hindurch
Wissenschaftler und Scharlatane, Abenteurer und Phan-
tasten. Im Jahre 1710 gelang es dem Dresdner Alchimisten
Johann Friedrich Büttger nach langem Studium, ein
rotes Steinzeug und schließlich das weiße Porzellan zu cr-
zeugen.
DAS BLUMENMÄDCHEN
DER WÜSTENFUCHS zLUCCA CHMEL WIENV
Der Gründer der Wiener Manufaktur war der
niederländische Hofkriegsratagcnt Claudius
Innoeentius D u Pa quier. llr begann schon
Anno 1717 mit einem Mitarbeitcrstab, beste-
hend aus drei Männern, unter ihnen der
ehemalige Werkmeister der Meißner Porzel-
lanfabrik, Samuel Stölzcl.
Die hervorragcndslen Schöpfungen der Du Pa-
quier-Zeit sind Sehwarzrotmnlereien mit Gold
und die weltberühmten Malereien des Dubsky-
Zimmers im Österreichischen Museum in Wien.
Wenn zunächst Du Paquicr sich mehr an chi-
nesische Vorbilder hielt, so beginnt doch schon
zu seiner Zeit das XViener Künstlertum her-
vorzutreten und hält der „Chinoiserie" die
„deutsche Blume" entgegen. Trotz seiner
künstlerischen Erfolge hatte das Werk viel-
fach mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämp-
fen, bis sich 1744 Maria Theresia, weitblickend
die Bedeutung kunstgewerblichen Schaffens für
Österreich erkennend, entschloß, die Fabrik in
staatliche Verwaltung zu übernehmen. Von die-
scm Jahr an führte die Manufaktur als staat-
liche Fabrik dcn historischen Bindenschild des
Hauses Babenbcrg, welches auch heute noch das
weltbekannte Firmenzeichen ist.
Unter Baron S o r g e n t h a l, der 1784 Direk-