NEUE FORM AUS DÄNEMARK-
Von W. M RAZEK
SCHULE DES GUTEN GESCHMACKS
Zu allen Zeiten ist die nähere Umgebung des Menschen, seine
Wohnung, sein Haus, seine Stadt, ein Spiegelbild seines Wesens.
Doch zu keiner Zeit wurde es ihm so schwer gemacht, sein Wesen
gültig auszusagen, wie gerade in der raschlebigen Gegenwart, wo
kaum entstandene Formen schon wieder als veraltet gelten, wo
llrsatz- und Kunststoffe jedes Gerät zu einem bloßen Zweck-
gegenstand machen, dem kein materieller Wert mehr zukommt,
und der, einmal abgenutzt, achtlos weggeworfen wird, weil er
leicht ersetzbar ist. Das schallt bei einem immer weniger aus-
geprägten Empfinden für gute Formen eine kritische Situation,
die einem sich stetig vollziehenden Strukturwandel des mensch-
lichen Bewußtseins entspricht. Nicht nur das Vertrauen in den
eigenen persönlichen Geschmack ist kaum mehr vorhanden, son-
dern in völliger Beziehungs- und Hilflosigkeit überläßt man dem
Architekten oder dem Geschäftsmann in stellvertretender Weise
die Aufgabe, die eigene Umgebung zu gestalten und zu be-
stimmen, in welcher Umwelt wir leben und uns wohl fühlen
sollen.
Was wäre also dringender notwendig, als dem verkümmerten
Formempfinden auf die Beine zu helfen, es zu schulen und zu
entwickeln! Die Unsicherheit der eigenen Gegenwart gegenüber
- mitunter ist es schroffe Ablehnung - gilt nicht in gleicher
Weise für die Erzeugnisse der Vergangenheit. Die Museen haben
hier den Blick für die guten und schönen Formen der Vergangen-
heit geschult und das Bedürfnis geweckt, sich lieber mit den
alten Geräten zu umgeben. Man vcrgißt dabei nur zu oft, daß
die alten Formen auch einmal ncue Formen waren und dziß das,
was heute neu ist, in einigen Jahrzehnten bereits den Nimbus
des Altseins trägt und zum Sammlerobjekt werden kann. Als
Antiquität wird es dann eine ganz konkrete Aussage über die
Zeit und den Geschmack der Menschen in der Mitte des 20. jahr-
hunderls sein. Sicher wird nicht alles Bestand haben, was gegen-
wärtig geschaffen wird. Und sieher wird nur das seinen Wert
behalten, was Verwandtschaft mit jenem ewig gültigen Formen-
schatz besitzt, der die Jahrhunderte hindurch in schöpferischen
Zeiten immer wieder zum Durchbruch kommt.
Abb. l
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