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Volltext: Schuhwaaren (Gruppe V, Section 9), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. C. Th. Richter. 
duflrie, in Brasilien, wie es fcheint, dagegen nur die Leiflung eines einzelnen, mit 
zartem Naturfmn begabten Individuums wäre. 
Was die Haare, den Haarhandel und die Kund des Frifeurgewerbes anbe- 
langt, fo haben wir fchon oben erwähnt, dafs diefes Gebiet im Laufe der Jahr 
hunderte und mit der Entwicklung der Cultur, der Ausgleichung der gefellfchaft- 
lichen ClaiTen an Bedeutung viel eingebüfst hat. Im fernflen Alterthume, wie 
heute noch bei allen wilden Völkern, denen wir in Amerika, im Innern Afrikas 
und auf den Infein des füllen Oceans begegnen, bilden Haar und Bartwuchs einen 
beflimmten Theil des Gewandes, fo weit diefs eben auch zum Ausdruck der 
gefellfchaftlichen Verfchiedenheit fich emporringt. Den Egyptern ifl vor 
mehr als drei Jahrtaufenden die Frage fo wichtig, dafs ein beflimmtes Gewerbe, 
eine Kafle fich bildet, jene der Haarkünfller. Und nicht nur der Schnitt des 
Haares und des Bartes, die kunstvolle Perrücke wird ein nothwendiges Gewand- 
ftück für Mann und Weib. Sie ift in ihrer erften Erfcheinung keineswegs eine 
Putzfrage oder ein Mittel, die Blöfsen des Hauptes zierend und zugleich wärmend 
zu decken, londern ein gefellfchaftliches Abzeichen, Ausdruck der Kafte. So bei 
den Egyptern und bei den Arabern, wo felbft die doppelte Perrücke erfcheint 
und die Strabo und Polybius noch bewundern und ausführlich befchreiben. Aehn- 
lieh ift der Perrückenluxus des XVII. und XVIII. Jahrhunderts viel weniger eine 
Schmuck- und Modefrage, fondern der Ausdruck eines focialen Bedürfniffes, den 
ftändifchen, vor Allem den amtlichen Unterfchied zur Geltung zu bringen. 
Und gerade in diefer Bedeutung ragt die Perrücke mit der Bewahrung der 
alten Parlamentsgebräuche in England, der Juftizgebräuche in Frankreich, ein 
grofser Widerfpruch mit unferem fonftigen Leben, noch bis in die Tage der 
Gegenwart. Wie zahlreiche Gefetze fchon im XIII. Jahrhundert nach den ver- 
fchiedenen Ständen die Länge der Schuhfchnäbel beftimmen, fo beflimmen zahl 
reiche Perrückenordnungen fpäterer Zeit Recht und Anfpruch der verfchiedenen 
Stände auf das ftändifche Abzeichen. 
Als Schmuck- und Putzmittel tritt die Perrücke in allen Formen als ein 
fache Perrücke und Bedeckung des Glatzkopfes bei den Männern, als Haarver 
mehrung und Chignon viel fpäter auf. Ich meine mit der fpäteren Zeit keineswegs 
die unfrige. In Egypten fchon erfcheint fie mit der Verweichlichung der Sitten, 
in Rom mit dem durch das Auftreten der Geimanen Mode werdenden blonden 
oder rothen Haare. Die Gallier, die Urväter der heutigen Franzofen, und die 
Juden treiben neben dem Handel mit Schminke, Seife und Pomade den Haar 
handel nach Rom und Italien. In diefer Zeit beginnt auch in Europa, wie es in 
früheren Jahrhunderten die Afiaten geübt hatten, — die jüdifchen Frauen, trotz 
Jefaias Warnung, — das Färben der Augenbrauen, Wimpern, Bart- und Haupthaare. 
Und wieder benützten es blos die Edleren und Befferen des Volkes, als ob alle Cultur- 
ftufen dem Gedanken nachhingen, dafs der edler Geborene auch edler erfcheinen 
miiffe. Lavater’s phyfiognomifche Studien erfcheinen als ein fehr matter theoreti- 
fcher Wiederfchein einer Jahrtaufende alten Praxis. 
Betreffs der Form der Perrücke und der falfchen Haare als Putz- und 
Schmuckmittel hat die fonflige Culturentwicklung der Menfchheit an der Behaup 
tung barbarifcher Gewohnheiten bis in unfereTage nichts geändert. Freilich ifl die 
Bedeutung diefer Erfcheinung viel nebenfächlicher, als die früher erwähnte. Das 
h rifeurgewerbe ifl dadurch aus der Reihe der nothwendigen und einfl bevor 
zugten Gewerbe ausgefchieden und dient heute, wie manch’ andere gewerbliche 
Richtung, den Launen und dem Wechfel der Mode. Die Verfuche im Haar- und 
Bartwuchfe oder Schnitt ein fländifches Abzeichen zu erhalten, gehören in unferen 
I agen noch der Phantafie der römifch-katholifchen Kirche oder wie die Verordnung 
des Jahres 1854 des Minifteriums Thun-Bach in Oeflerreich, von dem Freilaffen der 
Mundwinkeln bei Militär und Staatsdienern handelnd, den polizeilichen Willkür- 
lichkeiten an. Sie find der Lächerlichkeit anheimgefallen und das Frifeurgewerbe
	        
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