EIN
PERSISCHES
LACKKÄSTCI-IEN
Von WILHELM BEIN
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Wer mit dem fertigen Urteil über chinesische Lackarbeiten an
die persischen herantritt, wird vielleicht im ersten Augenblick
enttäuscht sein, weil er seine Erwartung, die schimmernden
Wunderwerke des Fernen Ostens in iranischem Gewande wieder-
zufinden, nicht erfüllt sieht. Anstatt dessen aber erregt anderes
das Entzücken des Beschauers, dem sich unvermittelt das Zauber-
reich der persischen Miniatur auftut: nicht nur die Feinheit des
Pinsels allein spricht ihn an, der goldgesprenkelte, zarte Unter-
grund, die durchsichtige, rötliche Tönung der Lackschicht, son-
dern mehr noch die eigenwillige, aber durchaus natürliche Ge-
staltung der Figuren und die Wahl der pflanzlichen Motive, die
an die europäische Romantik erinnern, ja, manches sogar vor-
ausnehmen.
Das Material, auf dem die persischen Lackarbeiten ausgeführt
wurden, ist in der Regel Papiermache. Man gewinnt es auf
zweierlei Arten: entweder wird Papier solange in Wasser einge-
weicht, bis es sich, teigig geworden, in die gewünschte Form
kneten läßt, oder man legt einzelne Lagen Papier übereinander,
bis die erforderliche Stärke erreicht ist und bindet sie mit einem
Bindemittel.
An den persischen Lackkästchen, welche das Österreichische Mu-
scum im Herbst 1955 erworben hat, kann man beide Methoden
der Herstellung erkennen.
In der Ausführung der Lackmalerei liegt, wie angedeutet, der
Unterschied zwischen chinesischer und persischer Arbeit. Wäh-
rend die Chinesen verschieden nuancierte Lacke selbst als Mal-
material benutzten, wobei sie bei ihrer Arbeit auf die Luft-
temperatur, Seehöhe und Luftfeuchtigkeit achteten, malten die
Perser mit Erdfarben, welche den unscheinbaren Grund zugleich
überdeckten, das Licht aber nicht, wie die vegctabilischen Far-
ben, durchließen. Das Gemalte erst wurde mit mehrfachen
Schichten Lack überzogen.
Der Lack wurde aus dem Sandarak genannten Harz der Calli-
tris quadrivalvis gewonnen, einem den Zypressen verwandten
Nadelbaum, der auch heute noch im nördlichen und nordwest-
liehen Afrika gedeiht.
Von den neu erworbenen Stücken erweist sich als das bedeu-
tendste das in der Abbildung wiedergegebene Kästchen. Es ist
42,5 cm lang, 29,5 cm breit und ist, auf vier Füßchen aufruhend,
mit dem Deckel 29,5 cm hoch. Außen an den Seiten ist ein'
jagdzug zu sehen, mit dem Fürsten und seinem Gefolge hoch zu
Roß. All das lehnt sich in der Gestaltung der Figuren, den
schlanken Beinen der Tiere und ihren im Verhältnis dazu mäch-
tig gebildeten Körpern, den rassigen Pferdeköpfen, an die Minia-
turen des 18. jahrhunderts an. Außerdem ist der Fürst, gekenn-
zeichnet durch dcn Kopfschmuck, im vollen Glanz seiner Würde
thronend und inmitten des Hofstaates, auch auf dem Deckel
oben abgebildet.
Der lange, über die Brust bis zum Gürtel wallcnde Bart verrät
uns, wen der Künstler dargestellt hat: es ist Fath Ali Schah, der
vom Jahre 1797 bis zum Jahre 1834 regierte. Von diesem Schah
ist heute noch im Gulistan-Palast von Teheran der Thronsessel
erhalten, den der Fürst um das jahr 1800 sich anfertigen ließ,
und der in seiner äußeren Form - wenigstens, was den Bau der
Rückenlehne und die Anordnung der sechs Füße betrifft - eine
unleugbare Ähnlichkeit mit dem auf unserem Kästchen darge-
stellten Throne aufweist}
Ist uns auch die Bedeutung klar, welche den Fürsten mit einer
Thronszene verbindet, so fragen wir doch, warum wir den Für-
sten auch auf einem jagdzug sehen. Es entspricht das dem Bea
dürfnis des Volkes, seinen Herrscher als „Helden" bewundern zu
können. So erscheint das Wort „Held" selbst in der Herrscher-
titulatur, wie in dem Namen des Riza Schah Pahlewi, wobei
„pahlewi" „Held" bedeutet. Das „Heldentum" der Herrscher ist
uralt. Nicht nur in den Titeln neuerer persischer Machthaber
findet es sich, sondern auch bei den arabischen Fürsten und hohen
Beamten des frühen Mittelalters. Den Fürsten in den Mittelpunkt
von Schlaehtszenerien und soldatischen Paraden zu stellen, und
dieserart sein Heldentum festzuhalten, hat man in der muslimi-
schen Kunst der Neuzeit unterlassen, darin ungleich den Ge-
pflogenheiten des alten Orients und denen des neueren Europas.
Seit der Safewidenzcit (1502-1736) hat man auch vermieden,
blutige Szenen allzusehr auszumalen, was unter den Timuriden
(1387-1502) noch sehr beliebt gewesen. Die Künstler unter den
1 Vgl. Survey of Persian Art, vol. VI. pl. 1479 e.