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Volltext: Alte und Moderne Kunst I (1956 / Heft 4)

WIENER 
KLASSIZISTISCHE 
BUCHEINBÄNDE 
Von GERHART EGGER 
Der normale Bucbeinband unserer Zeit steht im Prinzip in einem 
gewissen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches. Vor allem 
die jetzt so üblich gewordenen Sehutzumschlage, die ja nach 
außen hin das Gesicht des Buches ausmachen, sagen oft mit 
Graphik und Bild direkt etwas über den Inhalt des Buches aus. 
Nur in großen Bibliotheken gibt es noch - und dann ganz ein- 
fach und schmucklos gestaltet - einheitliche Einbände für alle 
Bücher verschiedenen Inhalts. In früherer Zeit war das nicht so. 
Wohl gab es manchmal Beziehungen des Einbandschmuckes zu 
dem Inhalt, aber im Prinzip waren die Bucheinbände vor allem 
der kostbaren Exemplare von dem Inhalt des Buches unabhängig. 
Viel stärker war hier das Bestreben, einen einheitlichen Charak- 
ter in den Bibliotheken zu erzeugen und die Bucheinbände, wenn 
nicht überhaupt alle in der gleichen Weise, so doch wenigstens 
in starker Übereinstimmung auszuführen. Dieses Prinzip bot nun 
der dekorativen Kunst auf diesem Gebiet eine reiche Entfaltungs- 
mögliehkeit. Ja in manchen Zeiten wurde der Bucheinband zu 
einem ganz besonderen Objekt dekorativer Kunst, in der Meister- 
werke entstanden, wie etwa die berühmten Bände für die Biblio- 
philen Grolin oder Mahieu im 16. Jahrhundert oder die Einbände 
von Padcloup oder Lucien Boyet im 18. Jahrhundert. Es cnt- 
stand in diesem Zweig des Kunsthandwerkes eine große Tra- 
dition in der Beherrschung der Lederbearbeitung und Goldprä- 
gung. Auch in Wien existierte dieses Gewerbe vom späten 
15. Jahrhundert an und hat - im 18. Jahrhundert durch die 
großartige Bibliothek des Prinzen Eugcn sehr begünstigt - oft 
unter französischem Einfluß große Leistungen hervorgebracht. 
Im späten 18. Jahrhundert setzt sich gegen die letzten Auswir- 
kungen des Rokoko ein englischer Einfluß durch, der ja in ganz 
Europa den Klassizismus des späten 18. Jahrhunderts einge- 
leitet hat. 
Bei allen besonderen Bucheinbänden dieser Jahrhunderte han- 
delt es sich vor allem um Lederarbeiten mit Golddekor. Diese 
Goldornamentik wird mit Punzen, Stempeln und Rollen mit 
Blattgold in genauer Kleinarbeit auf die Lederfläche aufgeschla- 
gen und so aus kleinsten Figuren eine große Dekoration zusam- 
mengesetzt. So stark sich hier - wie bei jedem Kunsthandwerk 
- die Stilcharakteristika jeder Epoche ausprägen, so unterliegen 
alle diese Dekorationen darüber hinaus noch einem eigenen 
Gesetz. Wenn man die verschiedenartigsten Einbände aus mehre- 
ren Jahrhunderten nebeneinander betrachtet, so wird als erstes 
auffallen, daß die Anordnung ihrer Deckeldekoration im wesent- 
lichen nach der gleichen Ordnung vor sich geht. Der äußere 
Rand dieses Rechtecks ist durch einen Rahmen verziert, der 
mehr oder weniger breit zwischen einer dünnen Linie und einer 
breiten, bandartigen Ornamentkombination schwankt. Das da- 
durch entstehende Mittelfeld zeigt in seiner Mitte eine medaillon- 
artige Figur und in den Ecken gleichartige Viertelmedaillons. 
Dieser dekorative Zusammenhang zwischen einer Mittelfigur und 
den Eckornamenten in einem Rahmen eingeschlossen, ist die 
typische Form einer Zentralkomposition der Dekoration eines 
Rechteckfeldes, wie es in den Bucheinbänden wohl von den 
arabischen Arbeiten dieses Zweiges abzuleiten ist, die auf diesem 
Gebiet ohne Zweifel sehr vorbildlich für die europäischen Arbei- 
ten des 15. und 16. Jahrhunderts waren. Dieses Prinzip der 
Einbanddekoration ist im 15. Jahrhundert noch nicht herrschcnd. 
Dagegen erhält es sich bis an das Ende des 18. Jahrhunderts, bis 
Abb. 1. Grürur Schalladorband, 1794, Fldelkummlßidbliolhok 
zum Klassizismus und crfaßt auch jene Einbände, die nur ganz 
wenig mit dünnen Randleisten und einer Mittelfigur - etwa 
einem Wappen -- dekoriert sind. 
In der Zeit der letzten Auswirkungen des Rokoko - in unseren 
Gegenden in einigen Fällen bis um 1790 _ erhält sich dieses 
Prinzip, wie zum Beispiel ein Band aus der kaiserlichen Fidei- 
kommißbibliothek (Abb. 1) aus dem Jahre 1794 zeigt. Der grüne 
Schaflederband trägt am Rand einen Rahmen aus dünnen zar- 
tcn rocailleartigen Blättern in Goldstempel und in der Mitte 
ein ovales Medaillon aus aufgeklebtem Papier mit dem in bunten 
Farben gemalten kaiserlichen Wappen. Dieses ovale Medaillen 
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