ist. Wie ein Stich Salomon Kleiners zeigt, waren für das im
festgenuteten Sockelgeschoß eingefügte Haupttor zwei Herku-
lesstatuen vorgesehen, so daß auch in der Vertikalen der Außen-
baumitte die Tendenz von Stärke und Weisheit in Überein-
stimmung mit der symbolischen Bedeutung der Bauteile gebracht
ist. Auch die plastischen Schmuckelemente der Flügelbauten mit
Erd- und Himmelsglobus, der Lunetten und Vierecke über den
Fenstern mit Waffen, der Leier Apollos, Palm- und Lorbeer-
zweigen sind nur die bis ins Detail ausgebildeten Variations-
formen des einen Grundthemas.
Dieser letzte große Bauauftrag des Kaisers ist auch die letzte
geniale Raumschöpfung j. B. Fischers von Erlach. Als drittes
großes Bauwerk im Dienste des Herrscherhauses reiht es sich
würdig neben den der politischen Repräsentation dienenden
kaiserlichen Schloßbau von Schönbrunn und den des Reiches
Katholizität und den religiösen Bekenntniseifer des Kaisers
dcmonstrierenden Sakralbau der Karlskirchc. Was der kaiser-
lichen Bibliothek aber in dieser Folge von Bauten ihre einmalige
Bedeutung gibt, ist der ausschließliche Bezug aller Bau- und
Dekorationselementc auf die Person des Kaisers Carl VI. und
dessen „hohen Charakter, welcher ihm von Gott dem Herren
beygelegct werden". Durch die ständige Anspielung aller Bau-
und Dekorationselemente auf die Person des Kaisers wird der
symbolische Charakter der Architektur, der Malerei, „als der
Architectur getreueste Gehilfin" und der Bildhauerkunst, die mit
ihren Statuen „das schöne Gcbäu am besten ausschmückt und
lebendig machet" bestätigt. Im Sinne des Gesamtkunstw
stehen alle Künste im Dienste der in dem poetischen Kor
Conrad Adolph von Albrechts ersonnenen Gedanken
Ideen, die alle wieder wie die Bahnen der Planeten un
gemeinsamen Sonnenmittelpunkt, um die Person des K
kreisen.
Der politische Rat der kaiserlichen Ratgeber, den im Jahre
Prinz Eugen in seiner Eigenschaft als Hofkriegsratsprä:
dem Kaiser überbrachte, „daß er aus seiner herrlichen und
läufigen Monarchie ein Totum" machen möge, kann im
tragenen Sinne beim Bauwerk der kaiserlichen Bibliothe
verwirklicht angesehen werden. Erde und Himmel, Krieg
Frieden, vaterländiseh-politischer und künstlerisch-religiöse
reich sind mit Hilfe aller Künste zu einem „Totum", zu
Einheit gebildet, dessen alles überragende und lehcnspem
Mitte der Kaiser zwischen Herkules und Apollo ist.
Die Zitate sind folgenden Quellenschriften entnommen:
Paulus Decker, Fürstlicher Baumeister oder Architectura civilis,
purg 1711.
Conrad Adolph von Albrecht, Codex 7853, Nat.Bib1. Wien.
Johann Basilius Küchelhecker, Allerneueste Nachricht vom Rü
kayserl. Hofe nebst einer ausführlichen historischen Besehreibun
kayserlichen Residentz-Stadt Wien, und der umliegenden Örtcr. f
ver 1730.
am. w... Jilrbuüunr (Innen: m.-.ru,1..-,.1I-4Iu
Abb. 4. Stich von Salomon Kleiner aus dem Jahr 1733 mit der Ansicht der kaiserlichen Bibliathek zu Wien. Zu
beiden Seiten des Haupteingangs zwei Herkulesstamen, die heute fehlen.
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