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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 1)

ist. Wie ein Stich Salomon Kleiners zeigt, waren für das im 
festgenuteten Sockelgeschoß eingefügte Haupttor zwei Herku- 
lesstatuen vorgesehen, so daß auch in der Vertikalen der Außen- 
baumitte die Tendenz von Stärke und Weisheit in Überein- 
stimmung mit der symbolischen Bedeutung der Bauteile gebracht 
ist. Auch die plastischen Schmuckelemente der Flügelbauten mit 
Erd- und Himmelsglobus, der Lunetten und Vierecke über den 
Fenstern mit Waffen, der Leier Apollos, Palm- und Lorbeer- 
zweigen sind nur die bis ins Detail ausgebildeten Variations- 
formen des einen Grundthemas. 
Dieser letzte große Bauauftrag des Kaisers ist auch die letzte 
geniale Raumschöpfung j. B. Fischers von Erlach. Als drittes 
großes Bauwerk im Dienste des Herrscherhauses reiht es sich 
würdig neben den der politischen Repräsentation dienenden 
kaiserlichen Schloßbau von Schönbrunn und den des Reiches 
Katholizität und den religiösen Bekenntniseifer des Kaisers 
dcmonstrierenden Sakralbau der Karlskirchc. Was der kaiser- 
lichen Bibliothek aber in dieser Folge von Bauten ihre einmalige 
Bedeutung gibt, ist der ausschließliche Bezug aller Bau- und 
Dekorationselementc auf die Person des Kaisers Carl VI. und 
dessen „hohen Charakter, welcher ihm von Gott dem Herren 
beygelegct werden". Durch die ständige Anspielung aller Bau- 
und Dekorationselemente auf die Person des Kaisers wird der 
symbolische Charakter der Architektur, der Malerei, „als der 
Architectur getreueste Gehilfin" und der Bildhauerkunst, die mit 
ihren Statuen „das schöne Gcbäu am besten ausschmückt und 
lebendig machet" bestätigt. Im Sinne des Gesamtkunstw 
stehen alle Künste im Dienste der in dem poetischen Kor 
Conrad Adolph von Albrechts ersonnenen Gedanken 
Ideen, die alle wieder wie die Bahnen der Planeten un 
gemeinsamen Sonnenmittelpunkt, um die Person des K 
kreisen. 
Der politische Rat der kaiserlichen Ratgeber, den im Jahre 
Prinz Eugen in seiner Eigenschaft als Hofkriegsratsprä: 
dem Kaiser überbrachte, „daß er aus seiner herrlichen und 
läufigen Monarchie ein Totum" machen möge, kann im 
tragenen Sinne beim Bauwerk der kaiserlichen Bibliothe 
verwirklicht angesehen werden. Erde und Himmel, Krieg 
Frieden, vaterländiseh-politischer und künstlerisch-religiöse 
reich sind mit Hilfe aller Künste zu einem „Totum", zu 
Einheit gebildet, dessen alles überragende und lehcnspem 
Mitte der Kaiser zwischen Herkules und Apollo ist. 
Die Zitate sind folgenden Quellenschriften entnommen: 
Paulus Decker, Fürstlicher Baumeister oder Architectura civilis, 
purg 1711. 
Conrad Adolph von Albrecht, Codex 7853, Nat.Bib1. Wien. 
Johann Basilius Küchelhecker, Allerneueste Nachricht vom Rü 
kayserl. Hofe nebst einer ausführlichen historischen Besehreibun 
kayserlichen Residentz-Stadt Wien, und der umliegenden Örtcr. f 
ver 1730. 
 
 
am. w... Jilrbuüunr (Innen: m.-.ru,1..-,.1I-4Iu 
Abb. 4. Stich von Salomon Kleiner aus dem Jahr 1733 mit der Ansicht der kaiserlichen Bibliathek zu Wien. Zu 
beiden Seiten des Haupteingangs zwei Herkulesstamen, die heute fehlen. 
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