„ . . ÄWEGEN DER
MAGNIFICENZ UND
DEM ANSEHEN..."
Von FRANZ WINDISCH-GRAETZ
Das Zeitalter des Barocks ist gekennzeichnet als eine Epoche
großer und schöpferischer Architekturleistungen, unter deren
Prädominanz alle übrigen dekorativen Künste, also auch die
Möbelkunst, standen. Wenn die großen Kunstfreunde und Mä-
zene von einer wahrhaften Bauleidenschaft erfüllt waren, so
betätigten sie sich damit gleichzeitig auch als Förderer der
Künste in ihrer Gesamtheit, deren Werke - Malerei, Plastik
und Mobiliar - sich im Bauwerk zu einem aufeinander abge-
stimmten künstlerischen Organismus verbanden.
Um zu erfahren, welche grundsätzlichen Erwägungen für einen
damaligen Bauherrn maßgebend waren, soll im folgenden einer
der großen Mäzene seiner Zeit, Fürst Karl Eusebius Liechten-
stein (1611-1684), selbst zu Wort kommen. Er erweist sich
als hervorragender Repräsentant jener damals mächtigen Aul-
traggeberschicht, der es bei aller Kunstpflege - in konsequenter
Fortführung der Ideale der Renaissance -, auf die Erhöhung und
Zurschaustellung der Persönlichkeit und ihrer Bedeutung, so-
wie der Familientradition und des Standes ankam. Das führte
Abb. l. Schrank mit Zinneinlagcn nach französischer Art. Ein
Hofmöbel von Qualität, das den Entwürfen Jean Berraink folgt.
Das Wienerische zeigt sich in der bcsdwidenerm, zarteren und
unaufdringlichen Anwendung des französischen Vorbilds.
Nußhoiz uul Elche. - Hohz: 226 cm. Breite: 1701198 cm, Tiele: M177 cm. Wien
Anfang 1B. Jh. Im Wiener Kunslhnndel,
Abb. 2. Barockschrank mit Inmrsien im Laub- und Bandwerk-
stil. Hauptmerkmal ist die konservative Wirkung, die in dem
noch stark an das 17. Jh. gemzhnendcn wudhtigen Gcsammufr
hau begründet ist.
Hauplsächllch Nußholz. Höhe: 234 cm, Bveüe: 1751200 cm. Tiefe: 60173 cm. Wlen
Anfang 1B, Jh. Im Wiener Kunslhundel.
zu einem dem entsprechenden Lebensstil und einer Prachtent-
faltung auf allen Gebieten der Wohnkultur. Mit höchster in-
nerer Anteilnahme spricht der fürstliche Verfasser in dem als
Instruktion für seinen ebenso kunstliebenden Sohn gedachten
„Werk von der Architektur", das uns als Manuskript erhalten
ist, über dieses große und so aktuelle Thema seiner Zeitß
Wir „geben euch vor ein generalissimam regulam: niemals, nie-
mals und zu ewigen Zeiten kein Gebeudc ohne Zierdt der Arl
chitectur zu führen. . . . alles, so zu des Herrn Genuß und Usum"
dient, soll „mit der Architeeturzierdt gemacht sein von aus- und
inwendig . . . sonst ist alles nichts nulz und kein vornehmes, son-
dem ein gemeines Werk, so nicht würdig ist, daß es stehen soll."
- Was versteht nun der Verfasser unter dieser „Architeclur-
zierdt", die derart unerläßlich ist? - Sie besteht „in keiner an-
deren, als in denen 5 Ordnungen der Säulen, als der Toscnna,
Dorica, Jonica, Corinthia und Composita mit ihren . . . Gesimsen,
Capiteli, Postamenten und allen ihren Teilen". Wer sie an-
wendet, kann sicher sein, daß „hieraus Magnificenzen und
Pracht ersprießen; . . . und die Probe erzciget es ad oculum
daß in denen alten . . . und allervornembsten Strukturen, so
die miracula mundi . . . heißen, nichts anderst als die 5 Ord-
nungen der Säulen maßgebend waren. . . . Alsdan wierst mit Ver-
wundern dorten stehen und vom Sehen nicht ersättiget wer-
den können, sondern sagen: Ach! was Gewaltiges, Prächtiges,
Künstliches ist dieses Werk; . . . nichts was das menschliche Aug
l Zur leichteren Lesbarkeit wurden geringfügige Angleichungen an un-
sere heutige Rechtschreibung vorgenommen.