sehen kann, kann dieses übertreffen . . . wegen seiner Magnifi-
cenz und vornembsten Ansehen. . . . Die Ordnung nun der 5 Säu-
len seint so vornehm, daß ohne selbige nichts kann gezieret wer-
den, kein Altar, kein Kirchen, kein Cadetra, Triumph und andere
Porten, kein Haus", mit einem Wort, ohne diese „kein Gczierd
kann gegeben sein".
Es liegt nahe, daß eine derart hohe Bewertung der Baukunst,
ihrer Ordnungen und Formen, sich auch auf die Gestaltung
des Mobiliars auswirken mußte, um die Innenarchitektur und
die bewegliche Ausstattung der Wohnräume harmonisch auf-
einander abzustimmen und damit die dem Barock so sehr
am Herzen gelegene Einheitlichkeit der Gesamtwirkung zu
erreichen.
Besonders der Schrank, das gewichtigstc und monumentalste
Möbelstück, war für eine solche Beeinflussung prädestiniert. Es
galt, die oft sehr beträchtliche Masse des Möbelkörpers und die
für den Gebrauchszweck nötige Struktur ästhetisch zu gliedern.
Für diese ästhetische Gliederung konnten nach allem bis-
her Gesagten nur Gesetze und Richtlinien maßgebend sein,
die von der Ivionumentalarehilektur abgeleitet waren. Die
Kunsttischler waren in der Arehitekturtheorie wohl bewan-
dert und wußten somit auch um die 5 Ordnungen der Säulen
bestens Bescheid.
In diesem Zusammenhang sei auf ein in Wien verfaßtes (1686
erstmals erschienenes) Werk verwiesen, dessen weitschweifiger
Titel lautet: „Wienerisches Architecturkunst- und Säulen-Buch,
worinnen die gründliche Unterrichtung deren fünff Säulen
biß dato proportionirlicher nicht gefunden worden. - Zu sun-
derbahrem Nutzen eines jedwedern Bau-Herrn, Ingenieurs,
Abb. 3.
Abb. 3. Bibliotlmk- oder Archiv-
schrank aus dem niederüsterreichi-
schenKlosterbereich. Ein schönes Bei-
spiel barocker Ensembleeinrichtung
mit intarsiener Schciriarol-iitektur. Die
Dekorationsveletnente beider Möbel
entsprechen jenen der zeitgenössi-
schen Architektur.
Hauplsächllch Nußholz. - Höhe: 229 cm, Breite:
1331156 cm, Tiefe: 41148 cm. 1. Drmel 1B. Jh.
lm Wiener Kunslhundel.
Abb. 4. Rechts ein barocker Eck-
schramk, ein originelles Möbel des
klassischen Wiener Barocks.
Haupisüchllch Nußholx. dazu Klrsch u. Ahorn
Hebe: 275 cm, Blelle 78 Cm. Ylele 41 cm.
i. Dfliitl 18. Jh. lrn Wiener Prlvaibesllz,
Baumeisters . .. Tisch le r s . . . und in Summa eines jeden, der
sich der Architecturkunst gebrauchen will." Der Verfasser,
Johann Indau, ist jedoch bei weitem kein Architekt oder Theo-
retiker, sondern, wie er sich selbst bezeichnet „Ihro Majestät
der Verwittibten Römischen Kayserin Cammer Tischlern". -
Sowohl die in Kupfer gestochenen „Risse" als auch der Text
stammen von Indau, der sich damit und mit einer Stichfolge
von Möbelentwürfen in gleicher Weise als Theoretiker wie als
geschickter Praktiker ausweist.
Außer der architektonischen Gliederung des Schranks galt es
dann noch, die großen Flächen mit ornamentalem Dekor aus-
zustatten und zu beleben. Hier standen die schier unerschöpf-
lichen Möglichkeiten aller Arten von Vorbildern zur Verfügung,
wie sie sich in den von den großen Dckorateuren und Ent-
werlern herausgegebenen Ornamentstichwerken, Vorlagen- und
Musterbüchern fanden, welche zusammen mit den Architektur-
theorien sowohl in den Bibliotheken der Mäzene, wie in den
Werkstätten zur Hand waren.
Die Ausführung eines Schranks stellte demnach an das Können
des Kunsttischlers große Anforderungen. Zu der technischen
Beherrschung des rein Handwerklichen kam die erforderliche
dekorative Gestaltung, hei deren Meisterung der Tischler seine
künstlerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen hatte. S0
wurde es denn zur Gewohnheit, daß die Tischlerinnungen in der
Regel die Herstellung eines Schranks als Probestück für die
Gesellen- und Meisterprüiungen vorschrieben.
Die damit aufgezeigte große Bedeutung des Schrankmöbels ist
der Grund, weshalb hier einige besonders schöne und markante
Beispiele aus dem ersten Drittel des 18. jahrhunderts gezeigt
werden, jener großen Epoche österreichischer Barockarchi-
tektur, deren starker Einlluß eindeutig an ihnen zur Gel-
tung kommt.
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