USFLÜGE INS HINTERGRÜNDIGE
Von JORG LAMPE
die jungen Menschen heute anders reagieren als noch vor
Iahren, weiß nachgerade jedes Kind. Aber nicht jeder be-
htet diese andere Reaktion in gleicher Weise. Die einen
in von einer „verwahrlosten", eine zweite Gruppe, die wenig-
s eine gewisse Verantwortung erkennen läßl, von einer „ver-
ncn" Jugend, während ihr von dritter und vierter Seite wieder
:re düstere Beiwörter verliehen werden. Manchmal wird,
n auch selbstverständlich nicht ausdrücklich, sogar der Ruf
1 dem Stock erhoben und manchmal einfach nur die Hilf-
gkeil gegenüber einem rätselhaft erscheinenden Phänomen
:htlich.
solcherart apostrophierte Jugend scheint sich jedoch nicht
daraus zu machen. Sie geht ihren Weg oder doch das, was
dafür hält. und auch sie selbst ist keineswegs der Meinung,
doch bloß in den Abgrund oder wenigstens sehr nahe an ihn
hcmn geführt hat, gehen sie aul ihre Weise den Dingen auf den
Grund. Und wie die Kinder ihrc Puppen zerlegen, um zu schauen,
was drinnen steckt, so verfährt auch die „reifere Jugend" nicht
gerade sehonungsvoll mit ihren Untersuchungsgegenständen. Da
ist vielmehr eine Art lächelnder Grausamkeit am Werke, die
der Untersuchcr übrigens auch ebenso bedenkenlos gegen sich
selber richtet. Viele meinen daher, diese Jugend „habe kein
Herz", aber sie trägt es wohl nur nicht so weit vorne auf der
Zunge.
Auch das gelegentliche Kokenieren mit dem „Nichts" ist nicht
so ernst, sondern eher von der komischen Seite her zu nehmen.
Man schaut nur überall hinein, auch in die „Büchse der Pandora",
soweit diese nicht schon als Bonbonniere gilt, und geht dann,
HANS NEUFFER
(Selbstporträt)
Im Mai 1935 in Wien geboren. Beruf: Student an der Akademie für
angewandte Kunst. Fach: Filmarchitektur. Ohne besondere Kennzeichen.
Mit einem Hang zum Unauffälligen: weder Borstenfrisur nach Künstler-
mähne, weder saloppe Kleidung noch nachlässige Haltung, außerdem
Nichtraucher und dem Alkohol nur zu seltenen Anlässen zugetan. Als
lllittelscbülcr liest er Karl May und haßt Mathematik. Später schwärmt
er von Paris und arbeitet dort als Kellner in einem Canzcafe in
St. Germaiu des Pres; in seiner Freizeit malt er im Hotel auf zu-
sammengeklcbte Zeilungsseiten. Er verdient 1000 Franc: pro Ccg. Crink-
geld nicht eingerechnet, Essen gratis. Noch später packt ihn die Reise-
lust und er fährt nach Skandinavien. per Schiff-stop. In Stockholm
sammelt er Kupf-erabfälle, aus denen er Schmuck bastelt und in den
Kaffeehäusern feilbietet. Das Geschäft geht nicht gerade brillant. [Veuffer
schläft in den an den Straßcnrändern aufgestellten Sandkisten, immerhin
in eine eigene Decke gehüllt. Als er auch nichts mehr zu essen hat,
läßt er sich auf einem [iberischen Schiff anheuern, für 20 Pfund im
Monat, Richtung Polarkreis. Mit den: immer gleichen Refrain: in seiner
Freizeit malt er. Vorausgesetzt. daß er mit niemanden: gestritten hat, da
ist er abergläubisch. ]ames Joyce und Dostojewski, Breughel und Soutine
haben ihn am tiefsten beeindruckt. Van abstrakter Kunst behauptet er,
nichts zu verstehen.
er unbedingt nach „Rom" führt. Soll er auch gar nicht.
ll1 man hat es satt, auf sogenannte Ziele angesetzt zu werden,
nso wie man die ganzen großen Worte und pathetischeh
welle zum Teufel wünscht, in dessen Tarnungsmittel-Magazin
wahrscheinlich auch gehören.
sächlich, viele dieser jungen Menschen, und zweifelsohne
it die schlechtesten, leben wörtlich „in den Tag hinein" und
eigene Faust. Von der älteren Generation allein gelassen
s sich nicht nur darauf bezieht, daß die Eltern in Arbeit
ien) und dem ganzen öffentlichen Betriebstheatcr abhold, das
zwar oft vom Grauen angerührt, aber auch leicht belustigt,
weiter. Die Maske freilich hält diesem Blick nicht stand. Er
nimmt auch die best kaschicrlcn „Würmer" wahr und lut dann,
wenn er seinen Eindruck beispielsweise malerisch realisiert, noch
ein bißchen was dazu, schon als Hieb gegen Heuchelei und
Prüderie. I
Als konkrelcr Fall kann ein junger Wiener Maler namens Hans
Neuffcr gelten. Er ist jetzt 20, aber schon vor 5 Jahren waren
erste Arbeiten von ihm in einer Ausstellung des „Kreise? zu
sehen. Damals war er noch Mittelschüler. jetzt hat er sich zur
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