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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 2)

ZUR GESCHICHTE UND BEDEUTUNG 
VonDORAHElNZ DES GÖSSER ORNATES 
Ein cinziger fünfteiliger Ornat hat sich aus dem hohen Mittel- 
alter bis auf den heutigen Tag erhalten: die berühmten Gewän- 
der aus dem sleiermärkischen Nonnenkloster Göß, die sich heute 
im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien be- 
finden. Verschiedenartige geometrische Ornamente und vor allem 
eine große Zahl von kleinen Ticrbildern in Quadratfcldcrn in 
bunter Seide gestickt bedecken den Grund der Stücke, die an 
den bevorzugten Stellen noch durch figuralc Bilder in Kreis- 
medaillons geschmückt sind. Diese reiche Ausstattung und be- 
einzigartige Erhaltung. Mehr als sechs Jahrhunderte, auch noch 
über die 1786 von josef II. angeordnete Aufhebung des 
Klosters verblieb der Ornat an seinem Entstehungsort, bis er 
1908 an das Museum gelangte. Eine einzige, allerdings durch- 
greifende Restaurierung veränderlc die Stücke. Dabei wurde vor 
allem die große alte Glockenkascl auf die Form der barocken 
Geigenkasel verkleinert und mit den abgeschnittenen Stücken 
die schadhaften Stellen der anderen Gewänder ergänzt. l Es ist 
wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Umarbeitung an- 
Abb. 1. Madonna umge- 
ben von den Evangelisten 
Symbolen. Ixfmelstück des 
Pluvialc vom Gösser Ornal. 
Mitte 13. Jh. 
Osmr. Museum 6. ungewandle Kunst 
 
sonders die Tierbilder machen den Gösser Ornat zu einem künst- 
lerisch und ikonographisch hoch interessanten Werk. 
Über Zeit und Ort seiner Entstehung gibt der Ornat durch meh- 
rere Inschriften und Bilder der Stifterin selbst Auskunft. Er 
wurde im Gösser Kloster unter der Regierung der Äbtissin Kuni- 
gunde II. (ca. 1239-1269) ausgeführt. 
Das Kloster Göß wurde um das jahr 1000 als erstes und rein- 
ziges Reichsstift in Österreich von der Familie des bayrischen 
Pfalzgrafen Aribo gegründet, dessen Witwe Adala als Stifterin 
verehrt wird. Über die mehr als 700 Jahre seines Bestandes 
wurde das Andenken an die Gründerin im Kloster aufrecht- 
erhalten. Ein marmornes Hochgrab im Langhaus der Kirche 
mit einem dazugehörigen Altar nahm die Gebeine der als Hei- 
ligen verehrten Gräfin Adala und ihrer Tochter Kunigunde, der 
ersten Äbtissin des Klosters auf. Für den feierlichen Gottesdienst 
am Todestag der Stifterin am 7. September - „der Stifterin 
Strüzelwcih" - entstand der Ornat. Dieser speziellen Bestim- 
mung und dem seltenen Gebrauch verdankt das Werk seine 
läßlich der Aufhebung des Klosters und der - allerdings nur 
kurzfristigen (bis 1808) - Verwendung als Bischofssitz erfolgte. 
Damals wurden sowohl das Hochgrab wie auch der Altar der 
Stifterin abgebrochen und zwei lilöße mit Paramenten sollen 
die Mur hinab nach Graz gekommen sein. 
In historischer wie in ikonographischer Hinsicht bietet sich die 
Möglichkeit. die Entstehungsgeschichte wie auch die inhaltliche 
Bedeutung der Bilder des Ornatcs noch etwas genauer zu be- 
stimmen als es bisher der Fttll war. Außer den beiden heute 
noch erhaltenen Bildern der Stifterin - auf dem Antependium 
und auf dem Pluviale, wohin es bei der Restaurierung von der 
Rückseite der Kasel versetzt wurde - war ursprünglich noch 
ein drittes Stifterbild vorhanden. Es befand sich auf dem Plu- 
viale unterhalb des großen Kreismedaillons und ging bei der 
Umarbeitung verloren. In einer Nachricht über den Ornat aus 
1 Über tlle Rekonstruktion der alten Kusel Vgl. rlie grundlegende Arbeit über 
den Gönner Ornnt von Morlz Dreger, Der Gösser Ornnt im k. k. Uaoterr. Museum 
für Kunst untl Industrie, Kunst und Kunsthandwerk XI.
	        
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