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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 2)

hat mit dem seidenen Gewande, die helfe sich und ihrem 
nde hin zu dem heiligen Kinde." Ob aus der Formulierung 
iert hat" der Schluß auf die Entstehung des Gewandes erst 
. dem Tod der Äbtissin Kunigunde gezogen werden kann, ist 
lkaum mit Sicherheit zu entscheiden. Auffallend bleibt zwei- 
s die eigenartige Anbringung dieser Schrift, die auch durch 
Mangel einer Vorzeichnung den Eindruck erweckt, als sei 
nicht ursprünglich vorgesehen gewesen, sondern erst unmit- 
tr bei der Ausführung von der Stickerin eingefügt worden. 
nag sich dabei entweder um einen Wunsch nach Fürbitte 
Äbtissin für ihr Kloster oder vielleicht auch um eine Art 
nswunsch am Ende des großen Werkes handeln. 
man alle diese angeführten Einzelheiten zusammen, so 
zht wohl sehr viel dafür, daß die Ausführung der Dalmatica 
der Tunicella nach den anderen Stücken anzunehmen ist, 
ohl sie keinesfalls ein bedeutender zeitlicher Abstand trennt. 
en diesen mehr historisch auf die Geschichte des Ornates 
:htetcn Fragen steht bei diesem Werk die inhaltliche Deutung 
nders im Vordergrund. Vor allem sind es die Tierbilder, 
ja wohl überhaupt das auffallendste Charakteristikum des 
zen Ornates bilden. Die Frage nach ihrer Bedeutung hat zu 
chiedenen geradezu entgegengesetzten Erklärungen geführt. 
:rseits wurden sie rein formal als vor allem durch Stoff- 
ter weit verbreitete allgemein übliche Bilder des spatroma- 
ien Formenschatzes bezeichnet, ' andererseits als direkte Phy- 
wgusillustrationen symbolisch ausgelegtf Beide dieser Mei- 
gen scheinen zu extrem gefaßt. Es kann kein Zweifel sein, 
dem Entwurf und der Aufteilung der Bilder auf dem Ornat 
genau durchdachtes Programm zugrunde liegt: Auf dem 
'iale steht Maria im Mittelpunkt, der nicht nur die Gösser 
skirche, sondern auch speziell der Ornat geweiht war, auf 
Antepcndium - also direkt am Altar - das feierliche Re- 
entationsbiid der Epiphanie mit der frontal thronenden Ma- 
na und auf der Kasel als dem Gewand des zelebrierendcn 
sters die Gegenüberstellung der Kreuzigung mit den 12 Apo- 
t dem in der eschatologischen Herrlichkeit erscheinenden 
istus, begleitet von den 9 Chören der Engel. Danach ist es 
t anzunehmen, daß es sich bei den übrigen Bildern des Orna- 
um rein dekoratives Beiwerk handelt. Zweifellos sind die 
bolhaften Ausdeutungen verschiedener tatsächlicher und 
ntastischei- Tiere, wie sie der Physiologus bringt, bei der Wahl 
Zusammenstellung dieser Bilder die maßgebliche Anregung 
esen. Eine direkte Entsprechung mit dem Physiologus be- 
t aber nicht. Eine sehr bedeutende Schwierigkeit bei der Ent- 
:idung dieser Frage ergibt sich daraus, daß es auch bei Heran- 
iung der zeitgenössischen illustrierten Physiologushandschrif- 
wie auch anderer Manuskripte, die bestimmte, namentlich 
annte Tiere zur Darstellung bringen, in vielen Fällen unmög- 
ist, die einzelnen Tiere sicher zu identifizieren. Eine ein- 
ende Erklärung der einzelnen Bilder und die Aufstellung 
s bestimmten Programmes danach kann dadurch nur hypo- 
isch bleiben. Trotzdem läßt sich aber mit Sicherheit fest- 
len, daß hier Tiere vorkommen, die der Physiologus nicht 
nt, wie z. B. das Kamel, das durchaus eindeutig erkennbar 
solches charakterisiert ist. Bei der großen Verbreitung, die 
ide der Physiologus im hohen Mittelalter besaß und bei der 
urch allgemeinen Kenntnis der darin gegebenen symbolhaf- 
Ausdeutung der verschiedenen Tiere auf einzelne Tatsachen 
dem Leben Christi oder auf Teile der christlichen Heils- 
"e ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß die Bilder des 
15er Ornates eine abgeleitete veränderte Form des Physiologus 
e Erltilrullg liier dieser Motive des Gösset Ornates In diesem Sinn bei 
Ier ms. O. 
siunis Pulink, Die sllsnhlidllthe Bedeutung der Darstellungen des Gösser 
ltes, Klrcheliltunst B. Jg, Heft 5 und i. Hie! wird eine spezielle Ausdeutung 
dieser Motive, auch bei den beiden Darstellungen des Antspendiums nach 
Physluiogus gegeben und dllnlll ein einheitliches Programm [Dr den ganzen 
lt aufgestellt. 
 
Abb. 4. Dalmatika des Gösser Ornates. Rückseite mit Evangelisten- 
und Tiersymbolcn. Mitte 13. Jh. 
Österreichisches Museum iur angewandte Kunst 
darstellen. Es ist durchaus möglich, daß eine Handschrift oder 
wohl eine Zusammenstellung aus mehreren verschiedenen Hand- 
schriften hier die Voraussetzung bildeten. 
Wie nach dem Stil der entwerfende Künstler sicherlich nicht im 
im Kloster Göß, sondern am ehesten in dem Kreis der Salzburger 
Kunst anzunehmen ist, ist auch die Ausarbeitung des zu Grunde 
gelegten theologischen Programmes in der Salzburger Metro- 
pole zu denken. Daß der Urheber gerade in ikonographischer 
Beziehung ein sehr gutes Wissen besaß, beweist die Ausgestaltung 
der einzelnen Bilder. 
Das Hauptbild des Pluviaie, die Madonna lactans, zeigt einen 
Marientypus, wie er ausgehend von den in der byzantinischen 
Kunst festgelegten Typen erst im 14. Jh. eine besondere Verbrei- 
tung erfahren hat. Gerade für das Gebiet nördlich der Alpen 
gehört dieses Bild zu den frühesten Zeugnissen dieser Art. 
Besonders charakteristisch ist vor allem im Hinblick auf die Ver- 
wendung der Tiersymbole die Darstellung der Verkündigung 
im ersten Kreismedaillon des Antependiums. Zwischen die Figu- 
ren des Engels und der Maria ist oben eine kleine Taube und 
unten ein springendes Einhorn eingefügt. Hier erscheint nun 
weder eine rein schmückende dekorative Absicht noch eine all- 
gemein symbolische Ausdeutung auf die Tugenden der Demut 
und Keuschheit gerechtfertigt, sondern eine ganz spezielle unc 
eindeutige Beziehung zur Darstellung gegeben. Zweifellos ist 
hier - wie aus unzähligen späteren Darstellungen bekannt - 
die Taube als Symbol des Hl. Geistes aufzufassen und das Ein- 
horn als direkter Hinweis auf die Inkarnation Christi. Die Er- 
zählung des Physioiogus, daß das Einhorn vor den Jägern in der 
Schoß einer reinen jungfrau flüchtet, von der allein es gezähmt 
werden kann, legte die Verbindung zur Menschwerdung Christ 
nahe. Besonders im späten Mittelalter wurde das Einhorn zurr 
häufigsten Symbol der Menschwerdung Christi vor allem in den 
allegorischen Darstellung des Hortus conciusus. Noch am An- 
fang des 16. jh. heißt ein Lied: „War uns der Einhorn nit geborr 
j so wärn wir armen Sünder gar verlorn l So empfahen wir ihr 
gar würdiglich l Gott helf uns allen in seines Vaters Rich. , 
Wollt ihr wissen, wer dieser Einhorn ist? f Es ist unser lieben 
Herr Jesus Christ."
	        
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