Sie halfen sich bei Versteigerungen armseliger Nachlässe, auf
stillen Dachbodenjagden, durch Beschwören einer gutmütigen
Zimmerlrau, die ihren alten Sofaspiegel ausrahmte, zugunsten
eines schneeweißen Skigeländes, das sich dann im feierlichen
goldenen Eierstabrahmen wunderlich genug ausnahm. Ein Ma-
ler mußte sich das Lob des Kritikers, er hätte zwei wunderschöne
Rahmen ausgestellt, wohl oder übel gefallen lassen. Besonders
findig war ein junger Künstler, der drei Bilder gleichen For-
mats, aber nur einen einzigen Rahmen einsandte und ersuchte,
man möge allwöchentlich das Bild austauschen.
Hier mul". der Schreiber dieser Zeilen ein Geständnis machen. Er
lebte damals in München, die Not der armen Schwabinger Ma-
ler ging ihm nahe, so nahe, daß er in einer stillen, aber inspi-
rierten Stunde den „elastisehen" Rahmen erfand: vier einfache
Ecken aus Blech, an Stelle der Leisten aber teleskopartig aus-
ziehbare Bleehhülsen, mittels deren der Rahmen jeglichem For-
mat gerecht werden könne. Frohgemut begab sich der Erfinder
zum Patentamt, um seine Idee anzumelden und zu sichern. Dort
aber entgegnete man mild: vier gewöhnliche Holzleisten, mit
Ölfarbe bestrichen, kämen, auch in größerer Zahl, immer noch
billiger als der Patentrahmen . . . Und auch ein Schwabinger
Maler, vom Erfinder schüchtern befragt, hatte nur ein nach-
sichtiges Lächeln.
S0 verstarb der „elastisehe" Rahmen, noch ehe er ins Leben
getreten war. Wenn ich aber heute gedankenvoll einen durchaus
nicht üppigen Rahmen betrachte. der fast genau die Hälfte des
Betrags gekostet hat, den der Maler für das Bild verlangt und
bekommen hatte, denke ich mit gerührtem Vatergeiühl zurück
an meinen nie geborenen „Elastischen"l Und immer noch geht
es uns Europäern besser als den Amerikanern: ein Wiener Maler,
der in den USA lebt, klagte mir, daß es dort überhaupt keine
Rahmenmacher mehr gebe, nur Fabrikserzeugung in Serien, zu
normiertem Format. Brauche man einen Rahmen in anderen Ma-
ßen, so sei man völlig hilflos - und wieder mußte ich da an
meinen „Elastischen" denken: am Ende kommt doch noch einmal
seine große Zeit?
VOM
WEG
DER
JUNGEN
Wie leicht macht man es sich doch, wenn man sich mit dem Be-
griff der „modernen Kunst" (sofern es einer ist) begnügt, einige
Weisheiten oder Gemeinplätze über ihre sechzigjährige Entwick-
lung und deren Resultate zum Besten gibt, sie entweder mit
Lorbeer umkränzt oder als Mißwuchs abtut und damit schon
glaubt, sich für die Fragen der Kunst von heute hinreichend
eingesetzt zu haben. Wenn es so einfach wäre, lohnte es sich
eigentlich gar nicht, viel über den Weg der jungen nachzuden-
ken. Dann nämlich würde sich ohnedies bei ihnen alles früher
oder später von selbst ergeben, weil es ja schon in den vorheri-
gen Stadien der Entwicklung vorgezeichnet wäre, nur noch ins
Bewußtsein zu treten hätte und von der sich klärenden Form-
kraft ins Programm der Tätigkeit aufgenommen werden müßte.
In Wahrheit liegen die Dinge jedoch anders. und gerade heute
scheiden sich die Geister unter den jungen mii einer Deutlich-
keit, die nichts zu wünschen übrig läßt. Sie scheint alle Vorstel-
lungen vom jungsein über den Haufen zu werfen, da es gerade
die Besten unter den jungen sind, die keineswegs in einem angeb-
lich der Jugend angemessenen „Enthusiasmus" und Überschwang
zu Werke gehen, sondern sich in einer fast unvorstellbaren Dis-
ziplin dem „Maß" verschworen zeigen. Nur die landläufig „ju-
gcndliehen" halten es noch mit dem „sich Verströmcn", das häu-
fig nichts als ein Sich-gchen-lassen ist.
Die Erklärung hierfür liegt darin, daß im Grunde das, was man
jOIIANNES AURAMIDIS
lolmntles ÄvrßlllißliS. griechischer Nationalität, aber 1922 in der Sowjet-
union geboren, ist eine Erscheinung. deren Eindruck man sich schwer-
lich entziehen kann. l'on diesem Gesicht liest man Klarheit, Ernst
und eine gewisse Strenge ab, ohne daß jener Ernst etwas Aggressives
hätte. Er ist mit einer stillen Gelassenheit gepaart. und die Strenge
stellt sichtlich ntehr Ansprüche an Avrrnirlis selber als die eruieren
Schon mit I5 ]ahren trat der Knabe in die russische „Staatliche Kunst-
schule" in Itatomn ein. wo er von 1937-1939 studierte und. wie er
selber sagt, vom ideulugisrhen Unfug abgesehen, „handwerlalicl: eine
anständige Arbeit" lernte. Nach einem kurzen Zzvisclaenspiel in Athen
kam er 1943 nach U"ien. xvu er von 1945-1949 bei Prnf. Andersen.
anschließend zwei ]al1re bei Prof. Eigenberger und von 1953-1956
bei Prof. lWrrtrnba seine Studien forlsetxte. Man kann also nicht nur
nicht behaupten, daß er sie [tüchtig betrieben habe, sondern sich bei
einiger Phantasie auch rarslellen, daß in einer sulchen Natur und imter
solchen Reifebedingungevz für die neclaischen Bohävne-Srherze eines
„lustigen Künstlervülkrhens", für die makahren des Nihilismus und
„llxistentialismxtf oder gar für getrisse Kluhsesselalltirelz mancher
jugendlicher, die sichtlich das mühe- und kostenlose llerumgereicht-
werden in der halben freien lFelt nicht gut vertragen. kein Platz ist.
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