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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 7 und 8)

WANDLUNGEN EINES INTERIEURS 
KL'L'I'L'RIIIS'I'OI{ISCHE ERLÄDTERUNGLZN ZU RUDOLF V. ALTS AQLMÄRE] 
PALAIS SCHYVARZENBERG 
LL] 
EN DES 
Von FRANZ WINDISCH 
.GRAETZ 
Als Rudolf von Alt rund 120 Jahre nach Erbauung des Palais 
Schwarzcnlwcrg seine Intcrictirs schuf, hatte sich die Wohnkultur 
grundlegend geändert. Nur mehr die monumentalen Maße der 
Räume kündctcn von dem für die Barockzeit ausschlaggebenden 
Repräsentationsbcdürfnis. Die Art und Weise der Einrichtung 
aber ging von völlig andcrcn Voraussetzungen aus. Intimität 
und Behaglichkeit bildeten die Grundforderungen, welche die 
(Ücstaltung der Möbel und ihre Gruppierung bestimmten. Damit 
verband sich noch ein anderes Bestreben, das mit dem vorheri- 
gen in geradem (Icgensatz, ja in Widerspruch stand, die Ten- 
denz nämlich, mit Aufwand und kunstvoll möbliert zu sein. 
Intim, behaglich und solid, so wollte es das Biedermeier. Zu 
dieser Einstellung, die weiterhin beibehalten wurde, trat nun 
die neue Formgcbting des Historismus hinzu. Es ging darum, 
sich nach den Erschütterungen der vorangegangenen jahrzebnte 
durch Anknüpfen an die vurrcvolutionäre Vergangenheit neu zu 
orientieren und aus diesem Rückblick seinen eigenen Lebensstil 
zu formen. Aus diesem Streben nach Kontinuität verwandte man 
die verschiedensten Formen, wie sie seit der Renaissance 
gültig waren. 
Aber die Menschen der ersten Hälfte des 19. jahrhundcrts, im 
speziellen Falle der Adel, standen unter den Gesetzen einer neuen 
und völlig anderen Ordnung. Die Adeligen waren nicht mehr 
rcichsunmittelbare Landcshcrren und hatten auch durch die Auf- 
hebung der Grundherrschtift als Stand im alten Sinne zu be- 
stehen aufgehört. Sie waren die historischen Familien, welche 
eine große kulturelle 'l'radition, sowie, besonders im Falle der 
Sehwarzenberg, oft einen immensen Reichtum repräsentierten. 
Aber auch das Bürgertum repräsentierte, - bcwußt ist hier 
das gleiche Wort genommen, - mit steigender Ambition vieles 
davon und gerade das zttigcnfiilligste, nämlich kulturelle In- 
teressen und Reichtum. 
Tatsächlich war es gcrzitlc das aufstrebende Bürgertum gewesen, 
von dem die neuen Formen der Lebensweise und Wohnkultttr 
erdacht worden waren. Die neue, zu Macht und Ansehen ge- 
kommene Schicht dokumentierte ihren Führungsanspruch durch 
Übernahme von Formen aus der vergangenen großen aristokrati- 
schen Epoche. Sie gestaltete sich ihre Umwelt von der Fassade 
des Hauses bis zu den Möbeln der Inneneinrichtung nach dem 
Vorbild der Adelspalüstc. Der Adel seinerseits, der wahrschein- 
lich schon längst unter dem stilistischen und modischen Diktat 
des joscfinismus, Empire und Biedermeier die originalen Barock- 
möbcl aus ihrer angestammten Umgebung entfernt hatte, rich- 
tete sich nun mit den harockisierenden oder ganz allgemein 
historisierenden Möbeln der Bourgeoisie ein. 
Alle diese politischen, sozialen und kulturellen Bewegungen und 
Gegenbewegungcn spiegeln sich in dem von Rudolf von Alt 1851 
mit unübcrtrcfflichci- Meisterschaft portraiticrtem Salon des 
Palais Schwarzcnherg. Die ganze Problematik der um die Mitte 
des 19. jahrhunderts ins Wanken geratenen Adelswelt drückt 
sich hier aus und erweckt im Betrachter ein beunruhigcndes Gc- 
fühl der Zwicspältigkeit. 
Das Zimmer ist in Rot gehalten, um eine feierliche Atmosphäre 
zu verbreiten, wirkt aber durch die intensive Farbe der Tapete 
um eine Nuance zu stark und daher aufdringlich. Die 'l'ztpete 
stellt ein Zugeständnis an die bcihehaltene Raumkonzcption dar, 
obwohl sie ganz bestimmt nicht dem barocken Empfinden _ent- 
sprochen hätte c paßt vielmehr zu den schweren, sich bau- 
schenden Vorhitngen. 
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Die barocke Innenraumgestaltung hatte keine Vorhänge ge- 
kannt. Das Licht sollte ungehindert in den Raum strömen, dessen 
dekorative Ausstattung daraufhin angelegt war. Das Aufkom- 
men des Vorhangs ist aber nicht nur ein Symptom für die Wand- 
lung der Innendekoration, sondern auch für eine grundlegende 
Veränderung der l.ebenshaltung. Hatte man im Barock mit einer 
Selbstsicherheit ohncgleichcn Rang, Stand und Bedeutung vor 
aller Augen zur Schau gestellt, so trat im Verlauf der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts immer mehr die Betonung des In- 
timen und der privaten Sphäre an deren Stelle. Gleichzeitig da- 
mit kam der Vorhang auf und gewann an Bedeutung bis er im 
limpirc und Biedermeier zu einem integrierenden Bestandteil der 
„Ausstaffierung" eines Zimmers wurde. Die Drttpierungelt der 
Vorhänge, gefühlvolle und sentimentale „Arrangcmentß, soll- 
ten dem Raum eine romantische Stimmung verleihen und die 
Bewohner von der Außenwelt abschließen. 
Seitdem wollte man nicht mehr auf den Vorhang verzichten, 
gestaltete ihn aber nach den retrospektiven Tendenzen der Zeit. 
XVas daraus entstand, sind die pathetisehen Samt- und Scidenvor- 
hänge des großbürgerlichen Interieurs. 
 
 
Salon und Sch zimmer des Fürsten Johann Adolf Schivarzenberg im 
Gartenpalast zu Wien. Aquarell von Rudolf v. Alt, dat. 1851. 
 
Die gleiche Verquickung von Formclementcn der Vergangen- 
heit mit Lebensgewohnheiten einer durchaus anderen Gegen- 
wart zeigen die Möbel. Die wieder zu Ehren gekommenen R0- 
koko-Ornamentc wurden biedermeierlich bequemen Möbelfor- 
mcn appliziert. (Janz im Dienste dieser Behaglichkeit stehen die 
massigen und zu (ieruhsamkeit einladenden Fauteuils um den 
runden Tisch. Nicht fürstliche Repräsentation spricht aus dieser 
Anordnung, sondern der Wunsch nach Gemütlichkeit. 
Nichts könnte diese Haltung mehr verdeutlichen als der Korb
	        
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