mit der Handarbeit neben der Chaiselongue, dem Lieblingsplatz
der Hausfrau, wo sie am Abend unter der Petroleumlampe eine
Slrickerei zur Hand nahm. Doch auch hier der Widerspruch.
Diese für derart anspruchslose Zwecke dienenden Mobilien
ahmen historische Stilformen nach, die aus ganz anderen Vor-
aussetzungen entstanden waren.
Besonders wird am Schreibtisch der Wunsch deutlich, sich mit
einer persönlichen Sphäre zu umgeben, Beziehungen und Er-
innerungcn stets anschaulich um sich zu haben. Darum ist hier
von Gottes Gnaden und Repräsentanten der Ständeordnung, die
es nicht mehr gab, sondern er war wesentlich Unternehmer.
Es ist demnach die eigenartige Verbindung und Durchdringung
von Feudalem einerseits und großbürgerlich Modernem ander-
seits, die in der Einrichtung dieses Zimmers und deren Formen
manifestiert werden.
Wie ein Dokument aus unvergessener, großer Vergangenheit
wirkt in diesem Milieu das herrliche Gemälde des Ganymed von
Rubens. Auch der filigrane Luster und die weißgoldenen Boise-
Snltclknmnwcx" im chrmsligen Sl11l]_5'h"udc dm Palais Schnnxrzcnhcrg.
Aquurcll von Rudolf v. Alt, dm. 1941.
der Ort für die Aufstellung von Familienbildern und An-
denken.
In unserem Falle aber ist der Schreibtisch vor allem das Arbeits-
feld des vielbeschäftigten Hausherrn. Der Bewohner dieses Zim-
mers, Fürst Johann Adolf Schwarzenberg (1799-1888) war eine
der profiliertesten Persönlichkeiten der damaligen österreichi-
schen Aristokratie. Nicht so sehr in der Übernahme von Staats-
und Hofämtern sah er die ihm gestellte Aufgabe, als vielmehr
darin, seine Besitzungen nach der Abschaffung der patrimonialen
Ordnung möglichst unberührt durch die Erschütterungen des
Jahres 1848 und seiner Folgen, den neuen Gegebenheiten des
heraufkommenden industriellen Zeitalters anzupassen. Es ist
bezeichnend, daß er sich die dafür notwendigen Kenntnisse ,in
England geholt hatte, das damals in allen Fragen der Wirtschaft,
Industrie und Technik maßgebend war. Die dort gemachten Er-
fahrungen verwertete er bei seinen landwirtschaftlichen Refor-
men und industriellen Neugründungen, wodurch der riesige
Komplex der Schwzirzenbergischen Güter zu einem mustergül-
tigen und nach modernen Grundsätzen geführten Wirtschafts-
körper wurde.
Wie weit war also der Mann, der hier an diesem Schreibtisch
seinen weitverzweigten Geschäften nachging und auf dem Tisch.
neben sich in Kassetten und Faszikeln die Unterlagen für seine
Korrespondenzen und Planungen zur Hand hatte, von seinem
feudalen Ahnherrn entfernt, der diesen Palast erbaut hatte!
Fürst Johann Adolf verkörperte nicht in erster Linie den Fürsten
rien gehören mit der Eleganz ihrer zarten Dekoration dieser
versunkenen höfischen Epoche an.
Eine derart eingehende kulturhistorische Deutung des Interieurs
ist allerdings nur möglich, weil der Künstler so präzise Unter-
lagen dafür geboten hat. Den Dingen und ihrem Verlauf bis ins
Kleinste nachzugehen, sie zu erfassen und materialmäßig zu
charakterisieren-diese Faszination ist der Anlaß-, und daß
daraus kein bloßes, trockenes Registrieren wird, sondern ein
Kunstwerk, das bleibt die große Leistung Rudolf von Alts. Man
beachte, wie virtuos der Glanz der Damasttapeten festgehalten
ist, und die Stoffarten der Möbelbezüge, Plüsch oder Samt, in
ihrer differenten Struktur und Wirkung erkennbar sind. Man
beachte weiters die verblüffende Meistcrung der Perspektive, die
die Vermutung erweckt, der Künstler habe sie so beherrscht,
daß die Lösung der in einem Interieur sich häufenden perspekti-
vischen Probleme ihm ein leidenschaftliches Vergnügen berei-
tet hätte. Schließlich gelingt es ihm durch die Lichtführung, durch
die flirrenden, sommerlichen Schatten des teilweise abgedunkel-
ten Raumes, der durch aufgefangene Liehlreflexe erhellt wird,
die tiornehm-bchagliche Atmosphäre wiederzugeben.
Wenige Jahre vorher, 1847, hatte Rudolf von Alt bereits das
Aquarell eines anderen Interieurs, der Sattelkammer, auszu-
führen gehabt, ein Blatt, das zu den Kostbarkeiten jener Periode
gehört. Man hat den Eindruck, als entzünde sich an der Aufgabe
die Genialität dieses Talents und steigere die Unbeirrbarkeit
von Auge und Hand. jede Peitschenschnur, jeder Zügel, der
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