bildnerischcn Effekte herauszupräparieren gilt. Diese sind damit
das einzige anerkannte Ziel. Das Ganze aber wird als sentimen-
tales Vorurteil derer abgetan, die sich noch immer eine Stütze
und Rechtfertigung, also die „lirlaubnis" einer Art weltansehttu-
lieber Gouvernannte beschaffen zu müssen glauben, um es zu
wagen, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Das macht auch klar, daß es für die Experimentatoren keine
Entwicklung gibt, weil diese letztlich nur aus einem geschlosse-
nen Kern entstehen und auf ein ebenso geschlossenes Ziel ge-
richtet sein kann. [Zxpcrimentierprobleme hingegen werden so
lange untersucht und attsgeschrotet, bis sie nichts mehr herge-
ben, und dann weggeworfen, worauf man sich nach einem neuen
"Rätsel" umschaut und mit ihm ebenso verfährt. Wenn man
daher zum Beispiel von Picasso behauptete, dal} er keine Ent-
wicklung habe und lediglich ein Gefangener seiner bildnerischcn
Möglichkeiten sei, statt sie zu lenken, so liegt das auf einer ähn-
lichen Linie. Doch welch ein Unterschied zwischen der experi-
mentfreien und universalen Hingegebcnheit an das Bildnerische
bei Picasso und den Knill-Schnüffeleien heutigen Kalibers!
Unter diesen gibt es übrigens auch noch eine besonders explosive
Richtung, die sich angeblich in das Abenteuer einer elementaren
Erfassung und Sichtbarmachung der Kraftfelder im Kosmos
stürzt. Man spricht da von „Automatismuf, „psychosomatischer
Motorik" und dergleichen, und Namen wie der des sehr sub-
tilen Wols, wie Pollock, Sonderborg, Thieler, (Jötz, Fietz, V"-
dova, Moreni und andere weisen auf ein sehr ungleichartiges
Zeugnis hin. Die entbundene atomare Energie, und was sonst
noch im Weltbild der neuen Physik als einschlägig zu gelten hat,
wird als Parallele zu dieser bildncrischcn Vorstellungwelt her-
angezogen, die vor allem bei Vertretern der jüngeren Generation
von Malern aus Europa und USA anzutreffen ist, nachdem Mon-
drian, Kandinsky und die von ihnen ableitharen liormungswei-
sen vor allem konstruktiver Art jegliche Bindekraft für sie ver-
loren haben.
Wie weit hier von einem besonderen Blickwinkel her ehrliche
Aspekte des Ganzen und damit neue Schauerkcnntnissc gesucht
und gewonnen werden bleibe dahingestellt. In vielen Füllen kann
mit Sicherheit nur von neuen Emotionen, die sich bis zur aktiven
Sprengungsatbsichtcn steigern, gesprochen werden, wofür schon
das ein Beweis ist, daß man hiiufig die stattgefundenen Explosio-
nen und das durch sie hervorgerufene „Trümmerfeld" ohne wei-
teres in ihrem Zustand beliillt, anstatt sich noch um irgendeine
Bildausformung zu bemühen. Während es daher 1918 _um das
„Epater le ßourgeois" ging, hat man jetzt anscheinend gleich
das „c'patei' le monde" im Auge, was ja im Zeitalter der Televi-
sion und der Atombombe auch viel aktueller ist.
Die Fragen nach Gestalt und Kunst werden als Bedenken von
Schwiichlingen abgetan, während man selber gew. maßen mit
seinen „Muskeln" protzt und dabei nur leider übersieht, daß sich
so nie die Kraft, sondern lediglich die Brutalität, also die ka-
scbierte Schwäche zu gebiirden pflegt. Nur wer kein wirkliches
Argument mehr hat, schlagt mit der liaust auf den Tisch, um
durch (iewalt über den Zustand der inneren Ohnmacht hinweg-
ztttiitischen. Insofern steht die Explosions-Auftrumpferei in di-
rekter Parallele zu der heute gleichfalls hier und da auftauchen-
den Methode, eine Art bildnerischet" Gehschulen zu errichten, um
so zu neuen Anfängen und Ausgangspunktcn zu gelangen. Da
werden die Farben, Linien, liläelten, die Kontraste und Harnw-
nien samt ihrer vokabularischen und grammatikalischen Be-
deutung sozusagen in abstracto neu entdeckt und buchstabier-
übungen wie bei ABC-Schützen vorgenommen, nur daß sie lei-
der deren unschuldige Einfalt vermissen lassen. Wie die Explo-
sionen vielmehr sind auch diese "Gehübungen" typische End-
produkte, nur Zeichen eines Endzustandes, wenn man nicht
überhaupt von Ausdrücken einer selbstverständlich uneingestan-
denen Verzweiflung sprechen will. Sie machen jedenfalls einen
durchaus müden und spiitlinghaften Eindruck, woran auch alle
eventuellen Tbeologisierungen nichts ändern können.
14
Wenn aber nun solche Kräfte (oder besser Schwächen) als
Ende ihres modernen Lateins angekommen scheinen, so l'
das keineswegs, daß etwa die Moderne selber, wie vicll -icht
Gegner frohlockend konstatieren möchten, an ihrem Ende s
de. Dieses bezieht sich vielmehr lediglich auf das Experimet
und Effcktthcater, so weit es sich selbst genügt. Wo es je:
um eine echte Schauerkenntnis, um eine der gegenwärtigen
tuationen und Existenz des Menschen gemäße Deutung der Vl
um die Veranschaulichung des Uberzeitlichcn im stvezifist
w.
1930), _,Gestrüpp auf Felsen".
illailizl tllnreni (geb.
Ol, 1936.
Obgleich das Bild noch Anklange an einen zerklüfteten
Felsen und die an ihm hochkriechendcn gestrüpjntrtigcn
Gewächse erkennen fallt, ist doch deutlich das Wilde.
Chaotische und Explosive das eigentliche Thema. Die
F ben des Bildes sind tveili, grau, schwarz und ein bran-
tliges Gelb, die die auf ein Bersten und Brechen, also aul
eine Katastrophe zielertden (JUSCfIfChÜ-FOFITICH erst rt-clit
zum Flackern bringen.