oldovmn, „Übcrfnlll
M
. 1955.
Fleischers zum antiken Gewand und die Verschraubungen des
Körpers mit dem über den Kopf gehaltenen Tier vcrschränken
sieh zum Bild eines dahineilenden Opfernden. In diesem Blatt
sind die graphischen Akzente bereits sparsamer gesetzt. Das Ele-
ment einer sinnlichen Darstellung weicht einer gleichnishaftcn
Zeichensetzung, die noch mehr suggeriert als darstellt. Die Mittel
sind verhaltener verwendet und fordern dem Betrachter mehr
ab. Deutlich erkennbar sind die Verwandlungen auch in dem
Blatt des „Überfall? (1955), in dem zwei phallisch bewaffnete
Polizisten eine nackte Frauenfigur verfolgen. Die Verfolger sind
nicht nur in ihren Beißwerkzeugen, sondern in ihrem ganzen
Habitus in eine insektenhaftc Form übergeführt und stürzen
sich mit einer mechanischen Bedingtheit, die die Insektenwelt
auszeichnet, auf ihr Opfer, das sich in rubenshafter Üppigkeit
pieassesk in die Fläche auffächert. Die Transformation dient
hier einem Kommentar für biologische Beweggründe. Einem
Kommentar der Seelisch-Psychischcs ausschließt und das reak-
tive Element mit einer gewissen Bitterkeit in den Vorder-
grund stellt.
Der Raum, den Moldovztn dabei in seinen Darstellungen ent-
wickelt, ist nicht mehr der kausale, in einem ursächlichen Zu-
sammenhang bestehende Raum der vergangenen Epoche, son-
dern ein diskontinuierlicher, affektiv gegliederter Raum. Er wird
sehr deutlich an dem Beispiel einer Stadtlandsehaft, der Zeich-
nung der „Karlskirche" (1957) in der dieses spiite Gleichnis
der „civitas dei" in das Geschiebe von Bau- und Raumformen
aufgelöst wird. Beängstigende Raumstürze durchziehen das Blatt.
Von der Verkehrsinsel mit den gehetzt dahineilenden Passan-
ten und dem nach vorn stürzenden Auto zu den nahe gerücktcn
Treppenansätzen, den ineinander verschobenen Architektur-
elementen, die sich aus der Statik in eine dynamische Bewegung
auflösen und dem saugenden Schacht der Straßenschlucht, tus
dem das insektoidc Gefährt hervorbricht. Hier wird ein intelli-
gentcs Pathos der Gestaltung sichtbar, dessen Elemente im
Barock vorgezeichnet erscheinen, nicht allein aus dem Anlaß
heraus, sondern aus einer inneren Wesensverwandtsehaft. Eine
Auflösung des klassischen Maßes zugunsten einer immanenten
Dynamik der Darstellung und der Dinge. Das transitorische Ele-
ment, der (ibergang, die Vergänglichkeit, das vom Tod Gezeich-
nete, wird sichtbar. Die Gestalt wird relativiert.
In diesem Sinne wurzelt Moldovan tief in einer österreichischen
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Tradition. Es ließen sich Bezüge spannen, die zu den Zcichnern
des Spätbarock österreichischer Prägung hinführen, wohlverstan-
den nicht allein in formaler Beziehung, dem Aussetzen und
Atmen des Federstriches bei Maulpertsch, Troger, Altomonte,
die schon die festumrissenc Gestalt in Frage stellen, sondern im
Kurt Moldovan, ..Flammenwerfertrupp". 1930.
geistigen Bereich, der das Diesseits im Hinblick auf ein anderes
aufreißt. Was damals aber religiösen Bezug hatte, eine Mitte
nicht verlcugncte, ist hier auf die bodenlose Leere hin, in die
Gefährdung gesetzt. Links verdiimmert klein die Stadt, ge-
schüttelt und erschüttert von Beben, die keinen Ausschlag in
den Seismographen finden.
In der „danse macabre" wird schon thematisch die Relativierung
zu einem Höhepunkt gebracht. Der flüchtende Akt, affektiv sich