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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 11)

Altkeltischer Marmorkopf 
in St. Donat. 
 
diese Technik lehrten, waren griechische Sklaven, wie ihre Na- 
men, mit denen sie signierten, klar beweisen: ein Eros, Akastos, 
Antiochos, Diophanes. Dann aber folgen Norditaliker wie ein 
Norbanus, ein Buccio. Auf einem dieser Stücke vom Magdalena- 
berg steht die schlichte Weisheit der Aufforderung zum Lebens- 
genuli: „Vita brevis, spes fragilis, vcnite, acccnsum cst, dum lu- 
cet, bibamus, sodales." (Das Leben ist kurz, die Hoffnung trü- 
gerisch, kommt, Gefährten, die Lampe ist angezündet, solange 
sie leuchtet, wollen wir trinken.) 
Hier wird die logisch-rationalistische Einstellung des klassischen 
Südens auf volkstümlichen Nenner gebracht. Man zieht einen 
einfachen Schluß: von dem, was nach dem Tode kommt, wissen 
wir nichts, daher lalit uns das Leben genießen. Das klingt selbst- 
verständlich, wird es aber für die Einheimischen nicht gewesen 
sein. Denn die Kelten suchen ihren Haltepunkt nicht im irdIschm 
Diesseits, sondern werfen ihre Sehnsucht in die Ewigkeit, in (1.15 
Sein nach dem Tode hinaus. „Longae vitae mors media est" ist 
nach Lucan der Leitsatz ihrer Welteinstellung, „Der Tod steht 
in der Mitte eines langen Lebens". Von ihrem unersehütterliehen 
Glauben an das Weiterleben der Seele im jenseits berichten die 
antiken Schriftsteller, erzählt aber auch jeder Fund einheimisclur 
Prägung, auch wenn er sich anscheinend römisch kleidet. Neben 
der kleinen Zahl der Lebenden steht ihnen das endlose Heer der 
 
Keramik vom Magdalensbcrg. 
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läruehstück eines sogenannten ACO-Bechers. 
Toten, die knapp neben den Lebenden ihr geheimnisvolles Wir- 
ken entfalten. Lis gilt (laher, sich vor ihnen zu schützen, sie aus 
Feinden zu Helfern zu machen. Die einheimische Religion wird 
nur verständlich, wenn man in ihren einfachen, volkstümlichen 
Schichten einen Ahnenkult erkennt. Da gibt es eine Unzahl von 
Genicn, Schutzgeistern von Einzelpersonen, von Stämmen, von 
Körperschaften, von Plätzen wie Quellen, Biiumcn, Schluchten. 
Sie alle sind im Grunde Ahnengeister, deren numina man gnädig 
stimmen will. Auch die großen (Jnttheitsvorstellungen, die sich 
über die kleinen schichten, tragen Züge des Ahnvaters, auch sie 
sind große Tote, die im jenscitsnztchcn, dem Mondboot, die Ver- 
schiedenen in ein scliges je eits geleiten. 
Solche Leute, die einen tinbezwinglichen Hang zur Transzendznz 
besitzen, sind keine Rationalisten, sondern Mystiker. Es ist daher 
durchaus begreiflich, dafl in unseren Gegenden weit weniger der 
römische Staatskult cincs Jupiter, einer juno und Minerva Fuß 
faßt, als vielmehr die orientalisch-mystischen jenseits-Religionen 
wie die der Isis, des Doliehenus, des Mithras aufblühen. Die Se- 
pulkralkunst, anscheinend vollkommen römisch, ist doch durch- 
setzt mit jenseitssymholik, mit Anspielungen auf die glückliche 
Reise ins Elysium, auf ewige Glückseligkeit und ewiges Leben. 
Auch die kleinen Dinge des täglichen Gebrauches tragen gern 
solche Zeichen. Wenn auf einem Siegelring eine Nereide auf 

	        
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