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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 11)

ElN SIEG ÜBER DAS VORURTEIL 
(ieilntllten zur ltwrlfell detitst-lven Kunst- und Antl- 
(jttit BEIIIIUSSE ln Ylllnelteti vom Iill, Yovettlher bl! 
H. lJezi-tttber. 
 
Viele Laien sehen in den Bemühungen des Kunsthandels nur allzu oft 
etwas ,.irgentltvic" Ungehöriges, wenn nicht gar Unredliches. Die Ur- 
sachen solcher Auffassung sind von Vel'sCl'tlL'tfCI'tS!('l' Art, die Wesent- 
liebste mag wohl der insti ktci gellöllten Likenntnis entstammen. tlafl 
das Kunstwerk in keiner W e "Ware" ist wie Gegenstände anderer 
Art - und sicher ist es richtig, daii die „Kunst" im Kunstwerk mit 
Geld und Geldeswert nicht gemessen, geschweige denn bezahlt werden 
kann. So glaubte man zum Srhlull kommen zu müssen, daß der Han- 
del mit Kunstwerken gleichsam Sünde an der Würde des Kunstwerkes 
sei; das Kunstwerk selbst aber wurde. wenn nicht in die lintrückthcit 
eines tatsächlichen, so doch in die l.uftleert' eines geistigen Museums 
gerückt. 
l)ie Meinung von der „inneren Unver " flichkcit" des Kunstwerkes 
geht letztlich auf jene Periode zurück, die das Museum im modernen 
Sinn des Wortes erfand. also in das Zeitalter des Klassizismus. Dafi 
man in deit früheren Jahrhunderten d age der Komme bilitlit 
des Kunstwerks naiver und vollig unvo angenommen gegenüber tand, 
beweisen in tinübertreftlicher Drastik die Vorgänge im Holland des 
17. Jahrhunderts; man luraticht bloß die geistvollc Einleitung von Max 
Sauermann in Berndts Biltlerlexikon der holländischen Malerei jener 
Periode zu lesen, um ein er "hüpfendes Bild über die Zustände in den 
Urzeiten des modernen Kunsthandels zu erhalten. llolland ist der erste 
große europäische Kulturs "t, in dem uns das Kunstwerk all seiner 
sakralen und im höheren inn gebundenen Funktionen entkleidet er- 
scheint. in dem es daher in unausvreichlicher Logik zur reinen Ware, 
also zum Objekt des direkten und ungeschminkten Brotverdienens, der 
Spekulation, der lnvesliliün wurde. ln Holland hat es daher auch das 
klass lbllSCh4l(lt' istische Vorurteil gegen die Eigenschaft des Kunst- 
werks al-z Objekt kommerzieller Manipulationen nicht oder nur kaum 
gegeben. Eine der Möglichkeiten des Handels mit Kunstwerken, niim- 
lieh die Kunstmesse, hat in llolland eine ungebrochene Tradition. dic 
sich bis zu den Kunstjzthrmarkten der Dürcrzeit zurückverfolgen lafit. 
Als sich nun im vergangenen Jahr ein Konsortium führenden" Münchner 
Kunsthiindler unter der tiitigen Patronanz von Konsul liernheimcr cnt- 
schlofi, den Brauch der Kunstmesse auch in Deutschland einzuführen, 
wurde damit ein Vorstoß in jenen Bereich riskiert, in dem das Vorurteil 
gegen den Kunsthandel ge tde in breiten Kreisen der Bevölkerung am 
tiefsten von allen europ. hen Kulturnationen verwurzelt w '. lTmso 
hoher ist der [Erfolg jener Veranstaltung zu werten, die ihren wert- 
vollsten Nachhall sieherlieh in cinc Schicht von Kunstinteressierten 
hatte, die bisher wohl kaum als Käufer aufgetreten war - nicht nur 
aus finanziellen Gründen, sondern vor allem aus R ' sentiments oben 
beschriebenen Natur heraus: schien der deutsche Bü 'r nicht nur sein 
Museum zu trollen. um sich der Kunst nähern zu unnen - das Mu- 
seum in seiner Distanziertheit zum Tagcsgctriebe. in seiner nicht selten 
boehmütigeti, lterrischcn Attitüde, die völlige geistige Proskynese vor 
dem Kunstwerk forderte? 
Nun, das Leben und 'l'reiben bei der 
messe in München unterschied sich le glich durch die Art der „W " 
vom Betrieb einer normalen Messe; ansonsten, in Hinblick auf die 
Linterbringung in zumeist (und mit Absicht) übervollen Kojen und die 
(ebenso gewollte „unmuseale") Systemlosigkeit der Änordnung gab es 
keinen Unterschied zwischen dieser Messe und anderen Veranstaltungen 
ähnlicher Form. Man sah Rhagcs-Kumnen neben Mobeln von Riesener, 
Gemälde alttletitscher Meister nebcn Crabbeigaben der ihn-Zeit, kolo- 
rierte Stahlstiche lür ein p. ar Mark neben Werten, die in die Hundert- 
tausen z gingen. 
Ch ikteristisrh für die erste hlcsseveritnstaltung in München war der 
überaus rege betrieb; jedermann w cht. wie grofl der Zustrom 
war und wie leicht und mühelos der Kontakt zwischen Interessenten 
und Händler hergestellt war. In größter Unbcangenheit fragten die 
Besuche" nach Dingen, die ihnen auf dem Herzen lagen - zumindest 
im Anfang die wenigsten nach Preis und Wert. Die Leute wollten „alles" 
über Stil, llerktinft, Bedeutung wissen und so mancher unter den Be- 
suchern erfuhr auf diesem Weg zum ersten Mal von den Geheimnissen 
der Kunstperiotlen und ihrer Bezeichnungen, von den Problemen der 
lkonographie, von den Fragen künstlerischer Techniken. Allen tinhe- 
wulit war so dank der nimmermüden, geduldigen Auskunftsbereitscbttft 
der Händler jene Respektliift überbrückt, die im Museum zwtchen 
Kunstwerk und Beschauei" itulgerisseit wird; hier, wo die Möglichkeit 
bestand, sich selbst zum Besitzer eines Kunstwerks zu machen, wurden 
ganz neue Volksschichten praktisch, anschaulich und ohne große Worte 
 
 
 
 
  
 
 
 
   
  
 
 
 
'l'slL'n Kunst- und Antiqui "tten- 
  
  
 
 
  
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Jean Baptiste Greuze (Tnttrntis 1725-1305 Paris). 
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