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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 11)

DER ERSTE DER HEILIGEN BERGE KÄRNTENS 
VON HEDWIG KENh 
Kärnten ist reich an Waldbergen, deren Gipfel eine weiß ins Land 
leuchtende kleine Kirche krönt. All diese Plätze sind richtige 
Heiligtümer in ihrer Stille, Unberührthcit und urtümlichcn 
Schlichtheit. Sie leben das Jahr hindurch ihr zeitloses Leben, 
wie der sie umgebende Wald, wie die Wiesen und Felder, nur an 
einem oder zwei Festtagen erwachen sie und werden Mittelpunkt 
der Umgebung mit Messen, Prozession, Blechmusik, Tanzboden 
und Verkaufsbuden. Der Kirtag sieht dann nicht viel anders aus 
als die lieste im Tal und doch sind seine Ursprünge ehrwürdigcr 
und mit altersgrauer 'l'raditi0n verwoben. Wenn am Dreinagel- 
freitag, dem zweiten Freitag nach Ostern, um 12 Uhr mitter- 
nachts mit einer Messe in der Kirche des Magdalensberges der 
volkstümliche Vierbergelauf eingeleitet wird, so pflanzt sich ein 
Brauch fort, der sicherlich vor 2000, vielleicht schon vor 3000 
Jahren geübt wurde. Nach der Messe ziehen die Teilnehmer 
betend im Laufschritt den Berghang hinunter, über das Zollfcld, 
auf den Ulrichsberg hinauf und so mit kurzen Rasten in den Kir- 
chen zum Veitsberg und schließlich zum Lorenzenberg ober 
St. Veit. Hier, in St. Veit, endet die Wallfahrt nach I6 Stunden 
Lauf. In christlichem Gewand lebt so eine heidnische Fruchtbar- 
keitsbegehung weiter, denn es wird heute noch von den Teilneh- 
mern daran festgehalten, daß sie um der Ernte wegen mitziehen. 
Solange nur ein Mann den Lauf durchhalte, werde Kärnten Brot 
haben. 
Äußerlich unterscheidet sich der Magdalensberg kaum von den 
andern Kärntner Kirchbergen. Da ist, wie üblich, das kleine 
Kirchlein, ein spiitgotischcr Bau, ein kleines Mesnerhaus, das 
Wirtshaus, dessen Stadl und das Beinhaus, der Karner. In der 
Kirche überrascht freilich der reichgeschnitzte Altar aus dem 
Jahre 1502 mit seiner reizvollen Hauptfigur der heiligen Helena. 
Diese Heilige ist wie Magdalena Kirchenpatronin, der Grund 
der doppelten Schirmherrschaft bleibt unbekannt, wenn man 
nicht mit dem Volksmund den scherzhaftcn Ausweg annimmt, 
daß beide Heilige „Lenis" sind und daher zusammengehören. Im 
Schrifttum des 19. Jahrhunderts wird durchgehend die Bezeich- 
nung „Helenenberg" gebraucht. 
In der Kirche sind zahlreiche Quadern verbaut, die sich nach 
ihrer schönen Bearbeitung und ihrem Material, edlem Marmor, 
als römisch zu erkennen geben. Das wiirc für eine Kärntner Kir- 
che kcine Seltenheit, zahllos sind hier die in Kirchen vermauerten 
Römersteine, mit und ohne Relief, mit und ohne Insehriften. 
Einzigartig bleibt jedoch ein rohes Stcindenkmal vor der Kir- 
chent-üre, ein niedriges Becken mit drei plump gearbeiteten Köpv 
fen, dem eines Jünglings, einer Frau und eines Bärtigen, wohl 
eines Grcises. Vermutlich ist es ein Überbleibsel der vorrömi- 
sehen, einheimisch-keltischcn Kultur, ein alter Opfcrstein, ge- 
schmückt mit dem Dreikopf, dem Symbol einer keltischen All- 
macht-Gotthcit. Die Spitze des Berges muß einst im 2. Jhdt. v. 
Chr. ein keltisches Heiligtum getragen haben, zu dessen Inven- 
tar wohl auch der Dreikopfstein gehörte. Die Römer umbauten 
das Gipfelplateau mit läcfcstigungsmauern, deren Reste schon bei 
cincm seichten Anstich zutage treten. Was der Spaten des Aus- 
gräbers so ans Tageslicht hebt, sind vor allem römische Mauern, 
Steinbauten, die nach der Militärbesetzung unserer Gebiete durch 
die Römer 15 v. Chr. aufgeführt wurden. Das Ältere, Einheimi- 
sche, hauptsächlich Fachwerkhäuser, hat geringere Spuren bin- 
tcrlassen. 
Das Hauptergebnis der Grabungen, die, finanziert vom Lande 
Kärnten und wissenschaftlich betreut vom Österreichischen Ar- 
chäologischen Institut, seit 1948 jeden Sommer bisher durchge- 
führt wurden, ist die Erkenntnis, daß auf dem Magdalensberg 
die älteste Römcrstadt Österreichs liegt, deren Blüte etwa die 
Jahre 15 v. Chr. bis 41 n. Chr. umfaßt. Inschriftlich bezcug 
jener keltische Stamm, der den Berg besiedelte, der der Nc 
Diese Norici aber sind bedeutsam, da nach ihnen jenes St; 
gebilde benannt wurde, das die Römer 15 v. Chr. bei ihrem F 
zug in den Ostalpen vorfandcn, das Königreich Noricum. 
Regnum Noricum wiederum ist nach seiner territorialen Abg 
zung der unumstrittene Vorgänger unseres Österreich. 
Trotz der IOjiihrigen Ausgrabungstätigkeit ist erst ein kle 
Teil der Bergstadt freigelegt, die Arbeiten sind schwierig, da 
Berghang, der mit seinem Material die bergseitigen Bauten l 
servierte, erst stufenweise abgetragen werden mufl. Was zu 
kam, gibt Rätsel genug auf. Manches kann nach römischen P2 
lclen einwandfrei erklärt werden, wie der von Hallen flanki 
 
Die spätgotischc Kirche auf dem Magdalensberg mit dem Karncr 
2. Jahrhundert v. Chr. stand hier mit großer Wahrscheinlichkeit ein 
tisches Heiligtum. 
große Tempel, eine Basilika, der Ort des Handelsverkehrs und 
Rechtsprechung, ein Tribunal an ihrer westlichen Schmals 
d. h. das Podium, von dem aus der römische Statthalter sein R 
teramt ausübte, eine kleine Villa mit Hof, Badeanlage und Kü 
Aber vieles widersteht der Einordnung in bekannte römische l 
typen, so ein Gebäudekomplex mit einem eigenartig kon 
ziert verschlungenen Zugang, der im Hauptraum eine he 
Quelle birgt und Schauplatz von Kulthandlungen mit Y 
serbesprengungen einheimischer Art, aber auch Versammlu 
ort des norischen Landtages gewesen sein dürfte. Unrömiscl 
auch die stufenweise Anlage von Hfiusern den Hang hinauf 
entstehen so Schmalräume mit 'l'reppen- und Korridorzugät 
untereinander, die dem Beschauer von unten her den Eindi 
einer richtigcnBergstadt, einer Arx, geboten haben müssen. M 
würdigerwcise waren die Terrassenriiumc nicht als Wohnun 
sondern als Werkstätten zur Verarbeitung von Bronze, Eisen 
Stahl bestimmt. Zahllose Funde von Gußtievgeln, Gußfort 
Schmiedewerkzcugen, Schmelzöfen, unfertigen Arbeitsprodul 
lassen an dieser Verwendung keinen Zweifel. In die römische 
lage eines Hauptplatzes (Forums) mit dominiercndcm Ter 
war so geschickt der Versammlungsraum der einheimischen 
litik und die einheimische nationale Industrie einbezogen wor 
Denn die Norikcr waren berühmte Schmiede und ihre Schmi
	        
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