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Volltext: Alte und Moderne Kunst II (1957 / Heft 12)

DER SCHATZ DES DEUTSCHEN RITTERORDENS 
von HERMANN FlLLlTZ 
Vor kurzem wurde der Schatz des Deutschen Rittcrordens dem 
Publikum zum ersten Male zur Besichtigung freigegeben. Bisher 
war diese Sammlung verschiedener Kostbarkeiten der Öffent- 
lichkeit unzugänglich gewesen, wie es seit dem Mittelalter eigent- 
lich allgemein Brauch war. Man könnte beinahe sagen, daß zum 
Begriff des "c zcs das Geheimnisvolle dazugehört, so daß 
Phantasie, Mar icn und Sage ihn umweben und ausgestalten 
können. Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung begann schritt- 
weise dic Eröffnung der großen Sammlungen für ein weites 
Publikum. Dieser Schritt hängt mit einer neuen Einstellung zu 
den Kunstwerken zusammen. Dcr persönliche Geschmack, das 
eigene Verhältnis, die Begegnung des Einzelnen mit dem Kunst- 
werk und seine Wahl traten stärker zurück. Immer bestimmen- 
der schoben sich die wissenschaftlichen Interessen in den Vor- 
dergrund. Von diesem Gesichtspunkt aus begannen nun die Mu- 
seen eine neue llunktion als Quelle der Erkenntnis für die Ge- 
meinschaft auszuüben. Die zahlreichen Gründungen des 19. Jahr- 
hunderts können und wollen von hier aus verstanden werden. So 
stark war dieses neue Streben, daß auch die alten Privatsamm- 
lungea vom Strom der Zeit mitgerissen wurden und sich mehr 
oder weniger stark den neuen mus alcn Intentionen anpassen 
mußten. S0 wurde aus den jahrhundertealten gewachsenen 
Kunstsammlungen der Habsburgcr das Wiener Kunsthistorische 
Museum. Heute erkennen wir immer stärker den Wert der alten 
Sammlungen in ihrer Gewachscnheit als kulturhistorische Ein- 
hcit und gewinnen aus einem neuen Verhältnis zur organischen 
Entwicklung der Geschichte neuerdings Freude an den Zufäl- 
ligkeiten solch einer gewordenen Sammlung. 
Der Schatz des Deutschen Ordens ist eine solche. Ihm haftet 
nicht das Gesetzmiiläige eines zwingenden Willens an. Es ist sein 
Reiz, wie sehr hier einzelne, kunstfrcudige Persönlichkeiten na- 
mentlich unter den llochmeistern besonders hervortreten, ja es 
eigentlich einige wenige waren, denen der Schatz sein Gesicht 
verdankt. 
Mit dem Namen des Deutschen Ritterordens verbindet sich die 
Vorstellung der gewaltigen mittelalterlichen Missionsarbeit und 
Kolonisationsarbeit im Osten, die im Deutsch-Ordcnsland sicht- 
baren Ausdruck und politisch höchst bedeutsame Auswirkung 
fand. Allerdings nahm die Entwicklung alsbald eine neue Rich- 
tung, als 1525 dieses Reich säkularisiert wurde und der Hoch- 
meister Albrecht von Brandenburg das Kernland als Herzogtum 
Preußen zu Lehen erhielt. Der Deutschmeister, der in Mergent- 
heim residierte, verwaltete seither auf Grund einer kaiserlichen 
Verfügung des jahres 1527 als „Administrator des Hochmeistcr- 
amtcs in Preußen, Meister teutschen Ordens in teutschen und 
wlilschen Landen" das Hochmcisteramt weiter. Erst 1834 wurde 
de: Titel des Administrators in den eines „Hoch- und Deutsch- 
mcisters" umgewandelt zu einer Zeit, als bereits Wien Residenz 
des Ordens geworden war. Die Übersiedlung aus Mergentheim 
war notwendig geworden, als 1808 unter dem Druck Napoleons 
der Deutsche Ritterorden in den deutschen Staaten verboten 
worden war. 
Dieses politische Geschehen spiegelt sich auch im Schatz, wie 
solch eine Sammlung ja immer mit dem Schicksal ihres Be- 
sitzers engstens verbunden war. Es erklärt sieh daraus nament- 
lich, dal's nur wenige mittelalterliche Objekte hier zu finden sind. 
Denn mit dem Abfall Albrechts von Brandenburg und der Um- 
wandlung des Deutsch-Ordenslandes in ein weltliches Herzog- 
tum ging auch der ganze alte Schatz für den Orden verloren. 
Die wenigen mittelalterlichen Objekte, die sich heute noch hier 
finden, gehen nicht auf diesen alten Schatz zurück, sondern 
kamen auf anderem, noch nicht ganz geklärtem Wege in die 
heutige Sammlung. Der Stifter der mittelalterlichen Bergkristall- 
  
  
scheuer etwa war wahrscheinlich Erzherzog Maximilian IlI.. 
Bruder des kunstsinnigcn Kaisers Rudolph ll. und Hochmeister 
des Deutschen Ritterordcns, als solcher Maximilian I. Der er- 
gänzte Erzherzogshut als Bekrönung d -s Gefäßes legt den 
Schluß nahe; denn eben Erzherzog Maximilian war es, dem die 
Stiftung des österreichischen Erzherzogshutes zu verdanken ist. 
Er wird im Stifte Klosterneuburg verwahrt. Die Ähnlichkeit des 
Insignes mit dem kleinen Abbild auf der Scheuer ist so groß, daß 
an irgendeinen näheren Zusammenhang zu denken ist. 
Prunkpokttl 
mit reichster figuralet" und ornamentalcr 
'l'reibarb t. Die szenischen Darstellungen zeigen die 
SiegcKaiserKarls V. Derartige Prunkgefiiße entwickelten 
sich aus alten Gebrauchsformen, die durch immer rei- 
cheren Schmuck im Laufe der Zeit zu repräsentativen 
Dekorationsstückcn wurden. Es ist eine süddeutsche (.7) 
Arbeit aus dem Jahre 1536. 
 
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