Stier um! Pjcrd, Federzeichnung. 1957.
Diese Federzeichnung ist charakteristisch
für die Art Absolons, das Nervöse, das
panische Erschrecken und zugleich das
aggressive Auf-der-Hut-Sein aller Kreatur
in einem vibrierenden und immer wie-
der von neuem ansetzenden Strich zu vere
gegenwärtigen. Wo sich gewissermaßen die
Zonen beider Tiere überschneiden, da wird
dem Strich durch Atmosphäre schaffende
tonige laviertc Flächen nachgeholfen. Das
Wilde und Geladene des Stiercs zeigt sich
in der Knorrigkeit und stärkeren Schwärze
mancher Striehpartien an. Sowohl das Pferd
als auch der Stier jedoch sind nur mit auf
das Typische gehenden Zeichen angedeutet,
sodaß sich hier eigentlich das Pferd- und
das Stierhafte und nicht bestimmte Tier-
individuen begegnen.
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umzudrehen, nicht nur Geschickte sondern auch Gesandte sind,
weil sie durch ihre bildnerisehe Begabung und Tätigkeit nicht
bloß zur ohnedies meist nur sogenannten „Verschönerung" des
Daseins, sondern auch zu seiner inneren Bereicherung, zu seiner
Beseelung und Durchgeistigung beizutragen befähigt und berufen
sind. Das wird noch deutlicher, wenn man sich, wie Absolon sie
selber nennt, seine „Lieblingsautoren" wie Melville, E. A. Poe,
James 4l0yce, Dostojewski, Proust, Jean Paul, Rilke und Heming-
way vor Augen führt.
In Absolons Graphik ist der bloße Effekt ebenfalls verbannt. Sein
meist sehr dünner und unscheinbar wirkender, in seinem Ver-
lauf nie eigentlich beschreibender und darstellender, sondern das
Gemeinte stets nur andeutender Strich laßt Virtuosenkniffe gar
nicht zu. Er muß sich vielmehr immer wieder von neuem be-
mühen und bleibt leise und lediglich ein Wink, ein Zeichen aus
einer Welt, die mehr nur die Chiffren für die Dinge als sie selber
Zu kennen oder doch zu lieben scheint.
Wohl gibt es auch Zeichnungen von Absolon, auf denen er der
realen Erscheinungswelt erheblich näher kommt, wie das hier
Zum Beispiel eine Häuscr-Studie für das Wienbuch zeigt. Nur
sind das dann meist nicht die wichtigsten Arbeiten dieses
Künstlers. Zudem bringt auch das genannte Blatt eine seltsame
Unruhe und Unstabilitäl in seine Gegenständlichkeit. Die Häuser
links der Gasse bleiben überhaupt nur angedeutete „Gardinen",
und das herausgehobene Haus in der Bildmitte gleicht auch mehr
einem humanisierten Maulwurfshaufen ohne rechte Ecken, Fron-
ten und Fassadenordnung, aber charakterisiert durch eine fast
verschmitzte, wenn auch schon wurmstichige Verwunsehenheit,
die sich ihr eigenes Gesicht gebildet hat.
Das aber ist für die stärkeren Blätter Absolons wie etwa hier
bei dem „Stier und Pferd" genannten oder bei seinen Interpreta-
tionen zu Baudelaires „Fleurs du Mal" bezeichnend, daß da Bot-
schaften nicht nur aus dem Dunkel sondern auch tatsächlich aus
dem Verwunschenen kommen, Botschaften, die übrigens selten
heiter, sondern fast immer ein bißchen aus dem Bösen oder doch
aus einem Bereich stammen, in dem noch sozusagen naturhaft
gewildert, gehauen und gestochen wird. Nur geht das da nicht
etwa mit lauten Waffen, mit Schwertern und mit Spießcn, son-
lilzzlnrlß Frau, Feder, 1957.
Viii eincn1 fast gcisterhaflcn und deutlich nur auf das Andcutcndc, das
Sezeichncndc gerichteten Strich hat sich diese Figur gleichsam auf das
Äapicr gewagt, an das Papier prr sgcgehcn. Alle: bleihl bei einem manch-
nal runden, sich schlängulnden und dann valcdcr hci einem spitz zulau-
cndcn Ungefähr, zu dem dann die beiden starken schwarzen Stellen die
(omrastc bilden. Die Seh-iffuren setzen an drei Stellen ihre besondere
Sildbcgcbenheil, als oh s der sich geradezu selber auflösenden oder
loch ins Unsichtbare vcrlicrenden Zurückhaltung des Striches das Ge-
vicht eines dichteren Daseins entgegenstcllcn wollten.
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