An sie möchten wir auch bei der Figur des Hirtenbuben mit dem
Lamm auf den Armen denken. Gewiß ist auch der Lammträgcr
an sich eine Figur aus der Tradition, noch dazu von alten spezi-
ellen Sinnzusammenhängen erfüllt. Er gehört aber auch der je-
weiligen Hirtcnkultur an, und das zeigt sich hier besonders an
seiner Tracht. Dieser bloßfüßige Bub hat, als einziger in der
Hirtenschar, keinen Hut, sondern eine Lammfcllmütze. Es ist
die vierteilige Mütze, oben die grüngefärbte Lederseite nach
außen, und unten den Fellrand umgeschlagen. wie dies besonders
für die westslawischen Trachten später bezeichnend wird, die
ja beträchtliche Teile der Hirtentracht verallgemeinert haben.
Er trägt auch als einziger keinen Rock, nur die Weste über dem
Hemd. Das scheint also eine deutlich auf die Hirtenkultur des
Gcscnkes, des Altvatergebirges abgestimmte Erscheinung. Zu
dieser Gruppe tritt nun noch die Hirtin. Das Mädchen - der
lange, bis an die Hüften reichende Zopf kennzeichnet sie als un-
verheiratet - trägt gute Volkstracht: Miederkittel, das dunkle
Mieder gelb verschnürt, oben die rosa Leibchcn, darunter das
weiße Hemd, darüber das hellgrünc Tuch. Die weiße Schürze
vor dem hellgrünen Rock unterstreicht das Zierliche der Er-
scheinung. Auf dem Kopf der grüne breitkrempige Hut, mit dem
Band unterm Kinn befestigt, dient gleichzeitig als Unterlage für
den schweren Korb, den die Hirtin auf dem Kopf herbeiträgt.
Unter dem Leinentuch des geflochtenen Henkelkorbes schauen
rotwangige Äpfel hervor. In der hängenden Rechten - die Linke
stützt den Korb auf dem Kopf - trägt die Hirtin den tönernen
Milchkrug Ihre Funktion ist klar, wie der Hirtenbub das Lamm
als Gabe zur Krippe bringt, so bringt sie Milch und Äpfel. Das
sind die traditionellen Gaben, wie sie in den Weihnachtsliedern
oft genug genannt werden. Eine Überlieferung eigener Art frei-
lich ist es, daß sich an der Geschenkdarbietung eine Hirtin he-
teiligt. Der Zug hat vor allem seit der Schiiferdichtung gdcs
17. Jahrhunderts Platz gegriffen, von hier aus ist er in manche
Hirtenspielgruppcn eingegangen. Auch in den sudctendeutschen
Weihnachtsspiclen kommt er mitunter vor, so in Granesau hei
Falkenau in Westböhmcn, im mährisch-schlesischen Bereich im
Adventspiel von Spittelgrund und im Hirtcnspiel von Werms-
dorfi. Dort schreiben die Rollenbücher überall die „Schaferin-
ncn" vor. Die Krippenkunst hat die Hirtenmadchcn in weiterem
Umfang herangezogen, vor allem die Krippen der romanischen
Länder beteiligen sie gern. Gerade der Typus der einen Ge-
schenkkorb auf dem Kopf tragenden Hirtenmädchen kommt auch
auf Tiroler Krippen das 18. jahrhunderts vor. Da verquieken
sich also zweifellos landschaftliche und übernationale krippen-
künstlerische Traditionen und Strömungen.
Für die Dreikönigszeit sorgte auch in der Heinz-Krippe ein eige-
ner Aufzug der Könige mit ihrem Gefolge. Erhalten haben sich
die feinen Gestalten der Könige und zweier Trabanten. Die Kö-
nige sind durchwegs als „Königc aus dem Morgenland" aufge-
faßt, sie tragen Kronen über dem Turbangebinde. Der älteste
hat sein Würdezeichen vor sich abgelegt und kniet, die Gold-
kassette darbietend. Der zweite. spitzbärtige, hat die Turban-
krone noch auf, das Szepter sogar in der Hand, das Weihrauch-
schiffchen in der Linken. Der jüngste, der Mohrenkönig, wie-
der mit Turbankrone und Szepter, trägt den Myrrhenbecher.
Ihrem Äußeren nach stammen sie alle drei noch aus barocker
Tradition, sie tragen weite Mantel mit prächtigen Brustschlie-
ßen, bindengegürtete prächtige Leibröcke und hohe Theater-
sticfel. Zu den weißen Königen gehört der weiße Trabant, ein
„Türke'" nach dem Krippenprogramm: Den langen Spieß in dcr
Hand, die Rechte am Dolch im Gürtel verkörpert er die Leib-
wächtertradition. So, mit Langrock und Pumphosen, hat man
jahrhundertelang den türkischen Haremswächter gesehen, er
war ein Bühnentypus geworden, an dem gerade die Krippe nicht
vorbeigehen konnte. Und auch der „Mohr" gliedert sich hier
ein. Er, eine der zierlichstcn Gestalten dieser Krippe, ist wie
immer jugendlich dargestellt, im langen gelben Hosenrock, mit
dem spitzen Turban, der flotten Leibbinde, den Spieß in der
eine der zierlichsten Figuren der
Krippe von Benjamin Heinz.
Der „Mohr",
Hand und Bogen und Köcher auf dem Rücken. Wie er dasteht,
den linken schwarzen Arm graziös in die Hüfte gestützt, ist er
ein Genrefigürchen für sich. Die Weihnachtsspiele der Gegend
haben offenbar auch an diesen im wesentlichen dem Rokoko
angehörigen Typen Freude gehabt. So weist das Wermsdorfer
Adventspiel einen „Türkc-n" und einen „Mohrt-n" als Begleiter des
hl. Nikolaus auf. Dtt sind also die Bühnenfiguren, die sie schon
einmal waren, wieder zu Bühncnfigurcn, nämlich diesmal des
Volksschauspieles geworden. In den Faschingsumzügen der Al-
penländer, beispielsweise beim Imster Sehemenlaufen, finden
sich die Gegenstücke.
Das sind also die Figürchcn des Benjamin Heinz, die um 1815
eine aus Künstlerhand einheitlich hervorgegangene Krippe ge-
bildet haben, die für Zeit und Landschaft, aber auch für kunst-
handwerkliclt hohes Können bezeichnend erscheint. Der Künst-
ler hat sie, der Familientradition nach, für den Familienkreis ge-
schaffen und ähnliches ist aus vielen Krippenschnitzerüberliefe-
rungen bekannt. Das Reizvolle daran bleibt das Widerspiel von
Erbe und individueller Gestaltung. Die überaus zahlreichen Ein-
wirkungen aller verwandten Weihnachtsübcrlieferungen, vor al-
lem der Krippenspielc, und der bildnerischcn Krippenkunst ha-
ben den Künstler in jeder Hinsicht angeregt. Er hat aber alle
diese Einflüsse zusammen verarbeitet, hat seinen holzgcschnitz-
ten Geschöpfen das Zierlich-Schlichte des Zeitstils gegeben, wie
er ihn persönlich meisterte. Das läßt sich heute noch ablesen, und
das hebt diese „Heinz-Krippc" aus der Fülle der anonymen
Werke volkstümlicher Krippenkunst heraus. So treffsicher sind
die vielen Möglichkeiten der Krippengestaltung an den Einzel-
figurett in dieser Zeit nicht oft herausstilisiert worden.
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