Vorstadlbal
l um 1880.
Komplimenten begleitete Menuettschritt kaum eine Berüh-
der Fingerspitzen ge tete. Der Walzer aber war das Sym-
'ines neuen Wleltgefüh .. Es wiire unmöglich gewesen, sei-
Äufstieg in die Zonen der Salons zu verhindern. Die Älteren
ieutigen Generation werden sich noch der Tanzlust erinnern,
ach Beendigung des ersten Weltkrieges einsetzte. Gemessen
er Statistik der öffentlichen Karnevalsveritnstaltungen im
l der Jahre 1820-30 erscheint sie bescheiden. Innerhalb
r Dekade zählte man 772 öffentliche Balle an welchen ins-
rtt 200.000 Personen teilnahmen. Die Einwohnerzahl Wicns
Siedermeierzeit belief sich auf 400.000, so daß damals buch-
ieh die halbe Stadt einem hektischen Tanzfieber xierhtllen
Um den Massenandrang der Tanzlustigen befriedigen [zu
en, mußten großräumige Lokalitäten zur Verfügung stehen.
;ab es die Sperlsäle (,.eine halbe Niteht beim Sperl ist der
issel zum Wiener sinnlichen Leben" versichert llcinricit
e); ferner die Sehwimmhalle des Dianabztdes, welche im
er in einen Tätnzsttal verwandelt wurde. Das luxuriöseste
:palais aber war der Apollosaal am Sehottenfeld. lir war der
te Tanzsaal Europas und beherbergte in zahlreichen Neben-
. Blumengäirten, Grotten mit Wasserfällen, Teiche mit le-
en Schwiinen, Säulen aus echtem Marmor, prächtige Kri-
ister, welche die . zencrie feenhaft beleuchteten. Die Prunk-
ltung der Renais. ncc schien zu neuem Leben erwacht.
Magier, dessen Kompositionen diese Tanzorgien entfesselte,
johann Strauß. Dieser seltsame Mann, Vorläufer des Ma-
rtyps unserer Tage, war der eigentliche Begründer e' es
1er liasehingbetriebes großen Stils. Ein Blick in die Titel
rMusikwerke läßt Brennpunktdes lokalen und historischen
gesehehens aufleuchten. Die Xlllitlxerpartie „Heiter auch in
er Zeit" soll den 1831 von der Cholera heimgesuchten Wie-
Optimismus einflößen. liine andre „Die Naehtwandler" ge-
t, glossiert die 1836 grassierende Furcht vor dem ErseheL
eines Kometen. Der „EisenbahnlusÜ-Yvztlzet" kündet von
Abfahrt des ersten Nordbahnzuges. Der Ernst des Revolu-
jahres spiegelt sieh in Tdtelgeleungen wie: "Marsch der
entenlegion", „FreiheitsmarselW... Linter dem Sturmliiuten
Glocken und dem Knattern der Gewehre wird auch die
n- und Dritngepnehe des Wliener Karnevals zu Grabe geä
In.
Als die nach Jahren der Unruhe eingetretene relative Ruhe wie-
der Gedanken an 'l'an7.freudigkeiti aufkommen läßt, wird je!
hann Strauß der jüngere der ungckrönte König des Wiener Fa-
sehings. Der Wiener Walzer hat alles Revolutionär-Umstürzle-
rische verloren, die Institution des Karnevals hat sich verbürger-
licht. Biille abzuhalten ist nun auch eine Form der Repräsenta-
tion geworden, die nicht allein vom Kaiserhaus praktiziert wird,
sondern von zahlreichen Gruppen und Vereinen übernommen
wurde. Der Ball der Stadt Wien, der Inclustriellcnball, der Con-
cordiaball, das Thercsianistenpiekniek -jede dieser Festlichkei-
ten hat ihre persönliche Note und in ihrer Gesamtheit bilden SiC
lbtnzsaal heim Schwarzen Bock. Johann Strauß spielt auf.
l.illtugrtttthlt' Yfllt Xettllttuer. 12m.
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