Sogenannter Holbeinteppich mit Arabeskmuster. Charakteristische l
anatolien, Gebiet von Uschak 17. jh. (165 X 255cm).
arb gebung siets gelbes Muster auf hcllrolem Grund. West-
Uiteuelchlscheu Museum Hi! angewandte KEIM.
KLEINE TEPPICHKUNDE
Von DORA
EINZ
Teppiche und Wandbehänge bilden schon seit dem Altertum
einen der wichtigsten Teile der Innenraumausstattung. Vor allem
die weniger als die Weberei den strengen Gesetzen der Technik
unterworfenen Arbeiten der Knüpierei, Wirkerei und Stickerei
sind in dieser Verwendung weit über den Rahmen einfacher Ge-
brauchsgegenstände hinausgewachsen und zu selbständiger
künstlerischer Bedeutung und eigenen Gestaltungsprinzipien ge-
langt. In verschiedenster Weise erscheinen in diesen Arbeiten
immer wieder zwei künstlerische Probleme abgewandelt und ge-
löst: Das Verhältnis zur übrigen Innenraumdekoration, deren
Teil sie bilden, und das Verhältnis zur Malerei als künstlerisch
nächstverwandter Kunstgattung.
Die Hauptbedeutung liegt in der Zeit der größten Blüte im orien-
talischen Bereich bei den geknüpften Bodenteppichen, im euro-
päischen dagegen bei den gewirkten Wandbehängen, den Tapis-
serien. Beide Techniken haben eine viele Jahrhunderte währende
Entwicklung durchgemacht, bis sie im späten Mittelalter zu ihrer
großen künstlerischen Bedeutung aufsteigen, deren Zeugnisse
heute noch in so großer Zahl erhalten sind, daß sich ein klares
Bild der Entwicklung durch mehrere Jahrhunderte gewinnen,
läßt. Die Wirkerei, als eine der einfachsten textilen Techniken
überhaupt, Iäßt sich bis in die Anfänge der Hochkulturen unab-
hängig voneinander in allen Teilen der Welt zurückverfolgen.
Der früheste bis heute bekannte Knüpfteppich, den Ausgrabun-
gen im Altaigebirge in einem vereisten Grab zutage gefördert
haben, entstammt der Mitte des 1. jahrtausends v. Chr. und
läßt in seiner hohen künstlerischen und technischen Vollendung
auf eine schon alte Tradition schließen.
Soweit die wenigen im Original erhaltenen Beispiele und vor
allem Abbildungen von Teppichen bis zur Mitte des 15. jahr-
hunderts erkennen lassen, zeigen diese mittelalterlichen Teppich-
muster geometrische Formen in strenger Stilisierung, ornamen-
tale Schriftzeichen, seltener heraldisch angeordnete Tiere und
vor allem die allmählich immer reicher ausgebildete Pflanzen-
ranke, die Arabeske. Auch in den anderen Kunstgattungen wird
die Arabeske in ihrer vollen Ausbildung zu einer der wichtigsten
Dekorationsformen in der Blütezeit der islamischen Kunst. In der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollzieht sich eine entschei-
dende Wandlung in diesen in allen Landschaften bis dahin fast
einheitlichen Mustern, die zur Ausbildung verschiedener Typen
und damit zur landschaftlich differenzierten Eigenart der ver-
schiedenen Gruppen führt. Die kleinasiatischcn und kaukasischen
Gebiete bleiben der älteren Tradition am stärksten verbunden.
Bei aller Verschiedenheit der Einzelmusterungen und auch bei
Aufnahme von Motiven vor allem aus Persien, bleibt der Grund-
charakter der Teppiche hier durch Jahrhunderte unverändert,
ebenso wie auch die Muster der einzelnen Gruppen, der sogenann-
ten Holbeim, der Uschak- oder der kaukasischcn Drachenteppiche
mit erstaunlicher Konsequenz durch drei Jahrhunderte fast kon-
stant bleiben. Gemeinsam ist ihnen allen die strenge Stilisierung
der Pflanzen, die Ausbreitung aller Formen in die Fläche und
die Fortsetzbarkeit des Musters über den Rand hinaus. Immer
bildet die Bordüre einen Abschnitt aus einem größeren Zusam-
menhang, immer wird das Auge und die Phantasie des Betrach-
ters dazu angeregt, das Muster über den Rahmen hinaus weiter-
zuführen. Nicht die vorgcgebene Fläche, sondern das Muster ist
hier das Primäre der künstlerischen Konzeption. In dieser
Strenge der Auffassung, der Ausbreitung des Musters in eine
Fläche und der Anordnung im unendlichen Rapport sind diese
Teppiche rein ornamentale flächenhafte Bodendekorationen, die
nirgends die Grenzen ihres eigenen, des textilen Bereiches zu
sprengen trachten. Gerade dadurch ist der Einfluß anderer
Kunstgattungen bei ihnen kaum merkbar und die Lebenskraft
ihrer Musterformen eine außerordentliche. In ungebrochener