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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 3)

 
Sogenannter Holbeinteppich mit Arabeskmuster. Charakteristische l 
anatolien, Gebiet von Uschak 17. jh. (165 X 255cm). 
arb gebung siets gelbes Muster auf hcllrolem Grund. West- 
Uiteuelchlscheu Museum Hi! angewandte KEIM. 
KLEINE TEPPICHKUNDE 
Von DORA 
EINZ 
Teppiche und Wandbehänge bilden schon seit dem Altertum 
einen der wichtigsten Teile der Innenraumausstattung. Vor allem 
die weniger als die Weberei den strengen Gesetzen der Technik 
unterworfenen Arbeiten der Knüpierei, Wirkerei und Stickerei 
sind in dieser Verwendung weit über den Rahmen einfacher Ge- 
brauchsgegenstände hinausgewachsen und zu selbständiger 
künstlerischer Bedeutung und eigenen Gestaltungsprinzipien ge- 
langt. In verschiedenster Weise erscheinen in diesen Arbeiten 
immer wieder zwei künstlerische Probleme abgewandelt und ge- 
löst: Das Verhältnis zur übrigen Innenraumdekoration, deren 
Teil sie bilden, und das Verhältnis zur Malerei als künstlerisch 
nächstverwandter Kunstgattung. 
Die Hauptbedeutung liegt in der Zeit der größten Blüte im orien- 
talischen Bereich bei den geknüpften Bodenteppichen, im euro- 
päischen dagegen bei den gewirkten Wandbehängen, den Tapis- 
serien. Beide Techniken haben eine viele Jahrhunderte währende 
Entwicklung durchgemacht, bis sie im späten Mittelalter zu ihrer 
großen künstlerischen Bedeutung aufsteigen, deren Zeugnisse 
heute noch in so großer Zahl erhalten sind, daß sich ein klares 
Bild der Entwicklung durch mehrere Jahrhunderte gewinnen, 
läßt. Die Wirkerei, als eine der einfachsten textilen Techniken 
überhaupt, Iäßt sich bis in die Anfänge der Hochkulturen unab- 
hängig voneinander in allen Teilen der Welt zurückverfolgen. 
Der früheste bis heute bekannte Knüpfteppich, den Ausgrabun- 
gen im Altaigebirge in einem vereisten Grab zutage gefördert 
haben, entstammt der Mitte des 1. jahrtausends v. Chr. und 
läßt in seiner hohen künstlerischen und technischen Vollendung 
auf eine schon alte Tradition schließen. 
Soweit die wenigen im Original erhaltenen Beispiele und vor 
allem Abbildungen von Teppichen bis zur Mitte des 15. jahr- 
hunderts erkennen lassen, zeigen diese mittelalterlichen Teppich- 
muster geometrische Formen in strenger Stilisierung, ornamen- 
tale Schriftzeichen, seltener heraldisch angeordnete Tiere und 
vor allem die allmählich immer reicher ausgebildete Pflanzen- 
ranke, die Arabeske. Auch in den anderen Kunstgattungen wird 
die Arabeske in ihrer vollen Ausbildung zu einer der wichtigsten 
Dekorationsformen in der Blütezeit der islamischen Kunst. In der 
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollzieht sich eine entschei- 
dende Wandlung in diesen in allen Landschaften bis dahin fast 
einheitlichen Mustern, die zur Ausbildung verschiedener Typen 
und damit zur landschaftlich differenzierten Eigenart der ver- 
schiedenen Gruppen führt. Die kleinasiatischcn und kaukasischen 
Gebiete bleiben der älteren Tradition am stärksten verbunden. 
Bei aller Verschiedenheit der Einzelmusterungen und auch bei 
Aufnahme von Motiven vor allem aus Persien, bleibt der Grund- 
charakter der Teppiche hier durch Jahrhunderte unverändert, 
ebenso wie auch die Muster der einzelnen Gruppen, der sogenann- 
ten Holbeim, der Uschak- oder der kaukasischcn Drachenteppiche 
mit erstaunlicher Konsequenz durch drei Jahrhunderte fast kon- 
stant bleiben. Gemeinsam ist ihnen allen die strenge Stilisierung 
der Pflanzen, die Ausbreitung aller Formen in die Fläche und 
die Fortsetzbarkeit des Musters über den Rand hinaus. Immer 
bildet die Bordüre einen Abschnitt aus einem größeren Zusam- 
menhang, immer wird das Auge und die Phantasie des Betrach- 
ters dazu angeregt, das Muster über den Rahmen hinaus weiter- 
zuführen. Nicht die vorgcgebene Fläche, sondern das Muster ist 
hier das Primäre der künstlerischen Konzeption. In dieser 
Strenge der Auffassung, der Ausbreitung des Musters in eine 
Fläche und der Anordnung im unendlichen Rapport sind diese 
Teppiche rein ornamentale flächenhafte Bodendekorationen, die 
nirgends die Grenzen ihres eigenen, des textilen Bereiches zu 
sprengen trachten. Gerade dadurch ist der Einfluß anderer 
Kunstgattungen bei ihnen kaum merkbar und die Lebenskraft 
ihrer Musterformen eine außerordentliche. In ungebrochener
	        
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