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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 3)

_steiite. Zusammen mit den Arbeiten Oskar Kokoschkas 
A Künstlerproiile 
 
Vom "Leben im Erleben" 
im alt gewordenen 19. Jahrhundert kündigte sich noch im 
letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende das Neue 
und Kommende an. Der Beginn einer neuen Epoche in den 
bildenden Künsten erfolgte im Jahre 1897 mit der Grün- 
dung der Wiener Secession. Nach wenigen Jahren schon 
zeigten die mit großem Enthusiasmus vertretenen ideale 
der secessionistischen Künstierschafi ihre ersten und be- 
deutsamen Ergebnisse in allen Bereichen der freien und 
angewandten Künste. Diese Leistungen waren erstaun- 
lich vielfältig und kuiminierten in den Schöpfungen der 
sogenannten Klimt-Gruppe, die nach dem Austritt ihrer 
Mitglieder aus der Wiener Secession im Jahre 1905 sich 
mit der großen uKunstschau-i im Jahre 1908 selbst dar- 
und Egon Schieies hatten diese Künstler den Weg frei ge- 
macht für weiteres Schaffen und für Österreich den An- 
schiuß an die Pioniere der internationalen Kunstszene in 
Frankreich, Deutschland, England, Italien und Skandina- 
vien hergestellt. Für die Arbeiten dieser Künstler hatte 
man in Wlen den Begriff wNeukunstu oder "Neuwienii ge- 
funden, und erst ab 1911 wurde hierfür der heute gültige 
kunsthistorische Begriff i-Expressionismusß verwendet. 
Dieser Begriff beinhaltete, daB es den Künstlern nicht 
mehr ausschließlich um das Abbilden der Natur und die 
Darstellung der Außenwelt ging, sondern in erster Linie 
um den Vorrang des wLebens im Erleben-i, um die Gestal- an." I .9 N 
tung einer imaginären, aber erlebten inneren Wirklichkeit, I D f, 1, A 
die jenseits der außeren Wirklichkeit existierte und wobei vuo o: E H E Ll- 5 
wein Diesseits hier ein Jenseits umarmt" (Kokoschka). Aui 
diesem Grundriß einer imaginären lnnenwelt errichteten 
sie mit unterschiedlicher Vehemenz und Radikalität und 
oftmals mit enthusiastischer Freude ihre Werke, ohne je- 
doch zunächst die außere Natur gänzlich zu negieren. Die- 
se Versuche, das i-Menschliche und das Dingiichew das 
Seelische und das Geistige in der Kunst transparent zu 
machen und zu einem sichtbaren Erlebnis unter Einbezie- 
hung des Dunklen, der Nacht, des Geheimnisses, des Hin- 
tergründigen und schließlich des Mythisch-Mysteriösen 
zu gestalten, erhielten durch die Zeitereignisse. durch 
den Zusammenbruch aller bisherigen Werte im Gefolge 
des ersten Weltkrieges stets neue Nahrung. Das Am- 
Ende-Sein hatte durch den verlorenen Krieg und den Zu- 
sammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie 
 
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für alle Österreicher, vor allem für Wien und seine Bevöi- , 9 0 ( N v N e, v H E 
kerung, besonders tragische Aspekte angenommen. Ihre {'91 {N II 
expressionistische Sichtbarmachung in den bildenden ' H E 
Künsten wurde nicht mehr als ein schockierendes Erleb- w .. 
nis empfunden, sondern als eine die Zelterelgnlsse repra- vN ß l 4 H F V Q( "f T E 
sentierende künstlerische Aussage, das heißt, der Ex- ' z N A c H T _ 
pressionismus hatte sich endgültig durchgesetzt und als ._ 
Zeitstil seine Gültigkeit behauptet. 
Das Schicksalsjahr 1918 brachte aber nicht nur die staat- 5 5 
liche Auflösung der alten Donaumonarchie und deren 
endgültigen Zusammenbruch, sondern auch den Tod der 
bedeutendsten Wortführer der Wiener Moderne, wie Otto 
Wagner, Koio Moser, Gustav Klimt und Egon Schiele. Die- 
sem war im Todesiahr noch die Ehre zuteil geworden, sei- 
ne Arbeiten in einer großen Ausstellung in der Wiener Se- 
cession zu zeigen und damit die Anerkennung nicht nur 
seiner Kunst, sondern des Expressionismus erreicht zu 
haben. 
Während es in jenen Tagen gegen Ende des Jahres 1918 
in Wien nur mehr ums reine Überleben ging, machte im 
fernen Troppau ein junger Offizier des "Infanterieregimen- 
tes Kaiser und König Franz Joseph I. Nummer 1:: in einer 
Ausstellung seines Regimentes von sich reden. Es war 
der am 1G. Februar 1895 in Wien geborene und aus einer 
alten österreichischen Beamtenfamiiie stammende Leut- 
nant Carl Maria (Carry) Hauser, der hier seine malerischen 
Arbeiten, darunter auch religiöse Bilder, im Stil der i-Neu- 
kunsi-i, im expressionistischen Zeitstil zum erstenmai 
präsentierte und damit beträchtliches Aufsehen erregte. 
Diesen ersten Erfolg konnte jedoch Carry Hauser in den 
allgemeinen Wirren, in der Auflösung und dem Chaos 
nicht für sich nützen. Er kehrte zwar nach Wien zurück, 
aber die von allen Leidenschaften erfüllte Stadt, die stän- 
dige Bedrohung der menschlichen Existenzdurch Hunger 
und politische Kämpfe zwangen ihn, ihr zu entfliehen. Er 
zog sich in das Feriendomizil seiner Kindheit, nach Hals 
bei Passau, zurück, um hier mit sich selber und mit der 
neuen Zeit ins reine zu kommen, um wieder arbeiten zu 
können und sich eine künstlerische Existenz aufzubauen. 
Aus dieser Distanz zur Großstadt und ihren Problemen so- 
wie zu seiner eigenen Person entstanden dann zu Beginn 
der zwanziger Jahre neben Werken der Malerei, die im ' 9 10 
  
 
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