Reihe von Einzelaktionen die Bildeinheit gefährdet, ja, auch ver-
loren. Immer wieder aber halten großlinige Bergformen oder
Baumkronen die fast absiehtslos gewählten und dargestellten Na-
turaussehnitte zusammen. Die Bildhintergründe stehen in wei-
Cherem Licht, ihre Körper sind von Luft umhüllt und verlieren
ihre zeichnerisch-plastische Genauigkeit. Ein atmosphärisches
Element bricht in die Landschaften, die mit einer klaren, ohne
mildernde Luft gemalten Schärfe dargestellt sind. Waldmüller hat
in den Bildhintergründen seiner spätesten Genrebilder den letz-
ten Schritt zu der impressionistischen Malerei hin getan.
Am vollkommensten entspricht Waldmüllers künstlerischen Aus-
drucksmitteln wohl die Vorfrühlingszeit mit der klaren Härte
ihrer Landschaftsformen, dem laublosen Geäst der Bäume und
Sträucher und dem lichten Himmel. Es ist kein Zufall, daß Wald-
müller das Thema der „Veilehenpflückerinnert", der Kinder im
Wienerwald vom jahre 1858 an bis zu seinem Tode in mehreren
Fassungen und Wiederholungen gemalt hat. Das undatierte, wohl
1861 entstandene Bild der Neuen Pinakothek in München gehört
zu den vollkommensten Genrebildern aus Waldmüllers letzter
Schaffcnszeit. Das Gitter der Baumstämme und Äste, das in den
spätesten Fassungen (in Berlin und New York) mit zeichneri-
scher Härte über das Bildfeld geht, erscheint von Luft umflossen
und bindet sich in seiner Farbigkeit mit den grünen und braunen
Tönen des Waldtales. Ein Schimmer von warmem Rosa erwärmt
das blasse Blau des Himmels, das dadurch mit den warmen Far-
ben der Landschaft vereinheitlicht erscheint. Die Kinder im Vor-
dergrund wirken mit ihren lebhaften Farben selbst wie Blüten,
eingebettet in eine Erdmulde zwischen den Bäumen. Die Stim-
mung eines lichten Friihlingstages ist in aller sachlich genauen
Wiedergabe der Wirklichkeit mit einer erlebnisstarken Gestal-
tungsfreude eingefangen.
Zweimal hat Waldmüller „Das Wiedererstehen zum neuen Le-
ben" nach schwerer Krankheit in seinen späten Genrebildem
dargestellt. Die 1864 datierte Fassung in Wiener Privatbesitz ist
im Frühling gemalt worden, die zweite, im Museum von Wupper-
tal-Elberfeld wohl im Herbst dieses Jahres, da nicht mehr Blüten,
sondern Äpfel an den Zweigen des Obstbaumes vor dem Bauern-
hattse erscheinen. Ist die erste Fassung im Landsehaftsausschnitt
bis auf den Vordergrund noch ohne Grün, mit undurchleuchteten
Schatten und fest und materiell charakterisierten Figuren ge-
malt, so zeigt das spätere Bild eine breitere und offenere Farbig-
keit. Großartig erscheint die weiße Tageshelligkeit des Raumes
um die Figuren erfaßt, die selbst in einer flüssigen, fast skizzie-
renden Weise gemalt sind. Der Tafel, die mit einer männlichen
Kraft das Bild des Wirklichen in einer ungewöhnlich bewegten
Szene vor dem festen Gerüst des Bauernhauses gestaltet, fehlt
wohl die letzte Hand. Es zeugt für den ungebrochenen Lebens-
willen Waldmüllers, daß nach den Worten der 1897 verstorbe-
nen Witwe - „des Künstlers letztes, fast Vollendetes Werk"
einen neuen Lebensbeginn darzustellen unternahm.
DAS VERHALTNIS JOHANN BERNHARD FISCHERS
VON ERLACH ZUR ÖSTERREICHISCHEN ARCHITEKTUR
Von RENATE WAGNER-RIEGER
Die kunsthistorischen Arbeiten, mit denen der 300. Geburtsttg
des größten österreichischen Barockarchitekten gefeiert wurde,
zeichnen das Bild eines bedeutenden Künstlers, „dessen Oeuvre
sich nicht einfach als ein stetig fortschreitender Strom der Ent-
wicklung seiner künstlerischen Persönlichkeit fassen" läßt;
Fischers formale und gedankliche Leistung besteht vor allem „in
der hohen Idealität, mit der er jede Bauaulgabe in Kenntnis
der historischen und der modernen Möglichkeiten zu einer ein-
maligen und absoluten Lösung führen wollte"? Fischer stand in
seinem künstlerischen und archäologischen Wissen aul der Höhe
seiner Zeit; die Untersuchungen lehrten, daß die Anregungen,
welche er in seinen Werken zu eigenständigen Lösungen ver-
schmolz, aus der italienischen Architektur, insbesonders dem
römischen Hochbarock, aus der französischen Baukunst und aus
dem Bereiche des Palladianisehcn Klassizismus der nördlichen
und westlichen Gebiete Europas genommen waren. Dagegen
wurde bisher nur wenig auf Einflüsse der österreichischen Bau-
kunst zurückgeführt, obwohl man primär annehmen möchte,
daß der 1656 in Graz geborene Fischer aus der künstlerischen
Sphäre seiner Heimat herausgewachscn ist. Die Vernachlä
l u. Aurcnhnmmt-r. J. n. Flacher v. 12mm, Wien 1951, s. 41 u. n.
1 n. Aurenhnmlnt-r, 1. n. Flseher v. Erlaeh-Ausstellung, Grnz-Wlcll-Snlzbug was
bis 1957, 25H, GlLVIS. 16. - H. Sedlnlayr, J. B. Flacher v. Erlufh, Wlcn 1955, S. 23.
gung dieses Moments beruht zunächst wohl auf der zweifellos
richtigen Erkenntnis, daß die zumeist von oberitalicnischen Mei-
stern getragene österreichische Baukunst des 16. und 17. jahr-
hunderts an künstlerischer Bedeutung hinter den zuvor genann-
ten Bereichen zurücksteht, doch darf man andererseits diese
Baukunst, die schon im 17. Jahrhundert eine eigenständige Ent-
wicklungslinie besaß und gegenüber benachbarten Gebieten eine
nicht unbetriichtliche Selbständigkeit zeigte, auch nicht allzu-
sehr unterschätzen. Daß Fischer an diesen Leistungen nicht acht-
los vorübergegangen ist, vielmehr auch ihnen Anregungen für
seine das „Einmalig? anstrebenden Werke entnehmen konnte,
zeigt die bereits erkannte Abhängigkeit gewisser Lösungen von
Schloß Stern bei Prag, vom Salzburger Dorn oder von den Wie-
ner Bauten der Scchzigerjahre des 17. Jahrhunderts, etwa des
Leopoldinischen Traktes der Wiener Hofburg, dessen zartes
Flächenrelief nicht nur für Hildebrandt, sondern auch für Fischer
von Erlach bedeutungsvoll wurde? Darüber hinaus lassen sich
jedoch noch andere Beziehungen Fischers zur älteren österrei-
chischen Architektur aufzeigen.
Zwar wissen wir aus den Quellen, dafl Fischer die Architektur
3 Fischers ltullennulenlhnlt wird zw Tllßh zlrku 1671-85 angesetzt. Für seine
Lehrzeit hel Schur, siehe Aurrnhutnlnrr, Ausstellung C 4.
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