Leinfellner, Gruppe der Fischer. 1953, Ziegelterra. Sie entstammen
der Erinnerung der kubischen Bauten von Positano.
Dafi cr Gesetzlichkeit erkennen will, liegt auf der Hand. Der
Widerstreit der Rustikalitat, die in seinem Werk steckt, mit
einem Streben nach intellektueller Erkenntnis gehört mit zu den
Dingen, die Lcinfellner kennzeichnen. Auch an der Bcrührtheit
durch das Archaische hält er fest. „Ich möchte in der Bildhau-
erei eine Urgcsctzlichkeit zum Ausdruck bringen, ohne an lei-
denschaftlicher Lebendigkeit dabei zu verlieren", sagte er ein-
mal. Die menschliche Figur wird bei Leinfellner nie zur Gänze
abstraktes Skelett oder funktionalistische Spur; es bleibt gewisser-
maßen immer Fleisch um sie.
Daß dieser Bildhauer anmutig erzählen kann, beweisen die Mar-
morintarsicn für das Staatsopernbüfett. Aus dem Kubismus ist
etwas Wienerisch-Rcizvolles geworden, ohne daß er dabei Ord-
nung und Gesetzlichkeit verloren hätte. Der Schauplatz ist hin-
ter der Bühne. Es wird der Pcrückenmachcr bei der Arbeit ge-
zeigt, ein Einblick in ein Kulissendepot, daneben eine Chorprobe
und Bühncnarchitektur, schließlich auch der Regisseur mit einer
Künstlerin bei einer Regieprobe.
Das Erdhaft-Vernünftige seiner Natur hilft Leinfellner bei der
Erfüllung öffentlicher Aufträge. Er hat die Genie-Schmerzen
nicht und nicht die Wehleidigkeit, die Andere über die Tyrannei
des öffentlichen Mäzens klagen machen. Sein praktischer Sinn,
sein gesunder Instinkt lassen ihn den Weg zwischen Zweck und
Vision finden, auf dem tüchtige Werke entstehen, angewandte
Kunst, wenn man will, im allerbesten Sinne. Hierher gehören
verschiedene Hauszeichen und Reliefs, darunter der naiv verein-
fachende „Galilei" mit dem Fernrohr, dem schiefen Turm von
Pisa und den jupitermondcn an einem Wohnbau im IX. Wiener
Gemeindcbezirk und die heiter und groß komponierte „Familic"
an einem Bau im II. Bezirk, die geradezu Musterbeispiele einer
volkstümlichen Anwendung moderner Stilprinzipien sind.
Über öffentlichen Auftrag entstand auch der mehrfarbige „Wel-
lenbrecher" im Gänsehäufel, der, einen Wasserausfluß verklei-
dend und inmitten des Bassins Kindern als Tummelplatz dienend,
in seinem vollendet abstrakten Linicnspiel als Parallele zu K0-
rallenbildungen aufgefaßt werden kann. In Fertigstellung be-
griffen ist cin sechsmal zwei Meter großes Relief aus Stein-
iebirge, eine Felsenmelttdit- von menschlicher Figur. Oder die
Sitzenden" von 1950 55, welche der deutsche Kunstkritiker
rttnz Roh im Hinblick auf ihren konstruktiven Charakter „Die
lensehenbank" genannt hat. Die „Sitzendc-n" werden gewisser-
tztßen selber zum Sessel. Die menschliche Figur, das gehört zu
en Grundüberzeugungen lleinz Leiniellners, ist menschlichem
ieriit, ist allem was stützt, liegt, greift oder trügt immer wieder
um Vorbild geworden.
les Künstlers Gruppe der „Sitzenden" reulisiert ein Erlebnis, das
einfellner auf der lnsel lseliid hatte. Den Liingitng zu einer Höhle
t einem Lavalelsen verriegelten (iesteinsbildungen: Blöcke, von
lensehenhand angeordnet, wie nähere Betrachtung zeigte, ein
iitter in Nlenschenform, von einem Fischer errichtet, das den
ugitng zu den Rudern und Stricken erschweren sollte, die er
i dieser Höhle bitrg. Es tvitr, als säßen zwei Xliüiehlet" vor der
löhle. Was in den „Sitzende-n" hildhaurrisehe Leistung wurde,
tts ist die Kelterung, die Ordnung und Klärung jenes Naturer-
:bnisses, Urtümliehkeitserlelvnisses. Die NJIUF, das Archztisehe
nd des Funktionelle sind Dinge, die Leinfcllners Kunst immer
'ieder bestimmen, In die Gruppe der „Fiseher" von 1955 gingen
rinnerungen an die kubischen Bauten der Fisehersltdt Positano
in. Der Abstrithierungsirrozeli, die beinahe mathematische
trenge des Stils wurden hier mit einer besonderen Konsequenz
urehgeiührt. Von Älenselienleibern und Hiittsern bleiben KJUITI
tehr als Winkel, Rechteck, Quitdntt, Oval und Kreissegment,
nd doch sehliigl die unmittellni Sinnlichkeit von Lcinfellners
egabung auch hier wieder durch, die zu bändigen, zu reglemen-
eren er seine funklionitlistisehen, kubistisclten und Abstrakten
xerzitien wohl rtuch unternimmt.
Leinlielltter, Der Bau. Bronzereliei (951. Osten". Galerie Wien.
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