ben. Ihre Herkunft ist urkundlich nicht nachweisbar, doch deuten
stilistische Vergleiche auf den Oberrhein mit dem Schwerpunkt
Straßburg. Der europäisch geschulte Hauptmeister war mit den
herkömmlichen Gesetzen der Glasmalerei ebenso vertraut wie
mit den modernsten Wagnissen der zeitgenössischen Buch-, Til-
fel- und Wandmalerei. Das szenische Bildmcdaillon wird erstm als
auf die gesamte dreilanzettige Fensterbreite ausgeweitet. Vom
Kathedralmotiv der Fcnsterrose abgeleitet, verrät das in Mall-
werk gefaßtc Rundmedaillon - der Typus des Passionsfensters
- den direkten Einflufl straßburgischer Kunst; auch ist die
Nachfolge dieses kühnen Motivs nirgends so lebhaft wie im
Elsaß. Zudem lassen die baugerecht-e Architektur der Taberna-
kelfenster und das System der Kielbögen im Apostelfenster auf
elsässische Herkunft schließen. Möbelhafte Bauwerke beginnen
den Bildraum nach der Tiefe auszuweiten _ ein italienisches
„Zitat", wie es gleichzeitig von mehreren Malern nordseits der
Alpen gewagt wurde, beispielsweise auch auf den Rückseiten
des Klosterneuburger Altars und im Salzburger Antependium
von etwa 1325. In der Glasmalerei freilich bedeuten solche An-
sätze des Raumillusionismus eine kritische Neuerung, und der
Königsfelder Hauptmeister scheint mit ihnen als einer exzentri-
schen Modernität die ehrwürdigen Flächcngcsetze seiner Kunst
auf die Probe stellen zu wollen. Das Kolorit hat teil an der Auf-
hellung und Differenzierung, die zum Ehrgeiz des frühen
14. Jahrhunderts gehören. Erlesene, ja raffinierte, meist lichte
Zusammenklänge beherrschen die Farbigkeit der Figuren, wäh-
rend in den Bildgründen die überlieferte Glut von Blau und Rot
nicht aufgegeben ist.
Die großen Medlillons sind folgerichtig zu Einheiten neuer Art
entwickelt: Kontinuierlicher szenischer Handlungsraum von gan-
zer Fensterbreite, Figuren gleichen Maßstabs, alle auf das Haupt-
crcignis gerichtet, das meist in der Mitte des dreiteiligen Bildes
spielt. Über den Rahmenzwang und die ikonographischen For-
meln hinausgehend, beginnt die Komposition sich als eine for-
male und sinndeutende Leistung zu behaupten. Im Gerüst der
Fensterpfosten und Quercisen symmetrisicrt sieh die Erzählung;
Zumal die Tondi des Passionslensters zeigen geradezu „klassi-
sche" Gliederung. Dank strenger Bildgeometrie heben sich die
Figuren mit ihren Umrissen luftig und lesbar vom Grunde ab. Die
edle Besonnenheit dieser „Repräsentationserzählungen" ist für die
Königslelder Dramaturgie ebenso kennzeichnend wie ihre Logik
und ihre sachliche Knappheit.
Wer sich ans Einzelne wendet, kommt in den Bann eines makel-
losen Menschengesehlechts: Gestalten von edlem Wuchs, anmutig
in zeitloser Jugend, zuchtvoll bewegt, hölisch vom Scheitel bis
zur Sohle, Köpfe von feinstem Schnitt, mit mandellörmigen
Augen, hellen Blicks, Gewänder mit melodisehem Faltenlall -
Reinheit und Wohllaut in jedem Zug. Schmerz und Trauer blei-
lJen gefallt, die Martyrien geschehen beinah blutlos - so sehr
kommt in der hellen, bewußten Bildordnung das Vertrauen in
die Heilsgeschichte zur Anschauung. Unmittelbare Vorläufer die-
ses hohen Figurenstils scheinen nicht erhalten zu sein; die näch-
sten Verwandten weisen wiederum an den Oberrhein -- u. a.
nach Heiligkreuztal (wohl eine Konstanzer Arbeit um 13iO[20)
- der mit den Zentren Straßburg und Konstanz auch als Hei-
mat der Königsfelder Werkstatt gelten darf.
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