stündlich formale Entscheidungen .traf, um so im letzten
schöpferisch mitzuwirken.
Die Bedeutung des mehr als 30 Quadratmeter großen Teppichs
im Werk Herbert Boeckls ist offensichtlich. Der Darstellung
der Apokalypse in Seckau gesellt sich ein weltliches Pendant.
An die Visionäre Verklärung der Endzeit schließt sich der Tep-
pich des Lebens. Er stellt ein Werk dar, das, wie jenesin Sek-
kau europäische Bedeutung gewinnt. Hier ist nach langer Zeit
bei uns Gültiges entstanden, das Neues heraufruft und verlangt
und Österreich sinnvoll und würdig vertritt. Es wäre hier nur
noch der Wunsch anzuschließen, daß der Gobclin, der im Auf-
trage der Gemeinde Wien für den Vorraum der Bundespräsiden-
tcnlogc in der Stadthalle gefertigt wurde, der Allgemeinheit in
seiner Aufstellung nicht entzogen wird, sondern ihr zugänglich
bleibt.
Der Golizrlin wurde von Fritz Rierll unter der Mitwirkung Index-er junger Wiener
Küultlcr gewebl.
Herbert Boeckl, Der Weltenrichler. Detail über dem Eingang zu der
von Boeckl mit Fresken geschmückten Kapelle in Seckau.
OSKAR KOKOSCHKA: VOM SEHER ZUM MALER
Von ERNST
KOLLER
Die große Ausstellung von Werken des größten österreichischen
Künstlers der Gegenwart - wahrscheinlich überhaupt die um-
fangreichste Kokosehka-Schau in Vergangenheit und Zu-
kunft - war werbemäßig durch die Wiener Presse vorzüglich
vorbereitet. Gelegentlich kam es zu Anspielungen auf den über
alle Maßen großen Erfolg der van-Gogh-Ausstellung im Belve-
dere, und ein Blatt; ließ sich die Chance nicht entgehen, ganz im
Sinne dieser Parallelisierung die „Kokoschka-Story" in entspre-
chender Breite und Aufmachung herauszubringen; nun also ste-
hen die Pforten des Künstlerhauses seit 20. Mai weit offen, be-
reit, einen gewaltigen Besucherzustrom zu verschlingen.
Kokosehka und van Gogh - die Idee, diese beiden Künstler zu
vergleichen, fasziniert auch über das Tagesbedingte, Situations-
gebundenc hinaus.
Van Gogh ist der Vater des malerischen Expressionismus, Ko-
koschka das reiiste Kind dieser Bewegung. Beide Künstler stürz-
ten sich mit Wucht und Vehemenz in ihre Tätigkeit, beiden war
sie weitaus mehr als bloßes Brotverdienen, sie bedeutete innerzn
Zwang, Ausweg aus grenzenloser seelischer Aufgestörtheit, sub-
limierter Trieb mit tragisehem, drohend gewaltigem Hintergrund.
Beide Künstler konzentrieren sich schließlich auf zwei große
Hauptthemen: Mensch und Landschaft. Aber damit enden die
Analogien, es sei denn, man wollte den Dingen, wie sie wirklich
sind, Gewalt antun.
Van Gogh war, wenn man es so will, zeitlebens ein Dilettant;
niemals überwand er zur Gänze gewisse Schwierigkeiten in der
anatomisch-akademisch „richtigen" Wiedergabe der Dinge, ein
wichtiger Wirkungsimpuls in seinen Werken ist im steten ver-
bissenen Kampf mit jener vertrackten „RichtigkciW zu sehen.
Kokoschka hingegen ist beinah vom ersten Tag an ein Routi-
nier von gewaltigen Ausmaßen: Grenzen im rein Könnerischeu
gab es für ihn nie, was er mit Stift und Pinsel festhielt, ist vit"
tuos bis in die feinsten Verästelungen. Denken wir nur an das
Frühwerk von 1910, das Bildnis Peter Baum. Es ist schier un-
glaublich, wieviel an sublimster Differenzierung in den Kar-
minrot-Violettönen des Hintergrundes steckt, mit welcher gerade-
zu diabolisehcn Leiehthändigkcit die Gesichtspartien durchgear-
beitet sind, in einem atemberaubend vollkommenen, gar nicht
mehr weiterzudenkenden Ineinzlnder von Farbe und Linie, Pinsel
und ritzendem Griffel! Angesichts solcher Werke versteht man
das heute wieder vielzitierte Wort von Else Lasker-Schüler über
Oskar Kokoschka: „Er ist ein alter Meister, später geboren, ein
schreckliches Wunder. . ."
Als Kokoschka das eben genannte Werk schuf, war er vierund-
zwanzig Jahre alt, bereits eine skandalumwitterte, verfolgte, ver-
lachte, aber auch bewunderte, geförderte Berühmtheit. Adolf
Loos gehört zu seinen Förderern, er verkehrt im Literatenkreis
um Karl Kraus und Peter Altenherg, schließt mit der Galerie