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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 6)

 
Einzug der Barbaren in Athen, Vernichtung 
aller Kultur. Eine fliehende Frauengcstalt in 
Ketten soll andeuten, dnß die letzte Entschei- 
dung noch ausstcht. Im Hintergrund die See- 
schlacht von Salamis, die wenige jahre später 
den Sieg der Griechen über die Perser brachte. 
Licht und ganz aufgelockert ist die Palette 
des spätesten Kokoschka, gelöst und ohne 
Spnnnungsmomenre. Das Werk war ursprüng- 
iür die Universität Hamburg bestimmt - 
warum wurde es nicht übernommen? 
Jllur Alarm (Vater Hirsch). Öl auf Lmmwumd, 6' {M um. Um 1907. 
Ncuu Galerie der Stadt Lin7 Mit nllcr Kmßhßit sind dic Zcichcn du's 
Alterns und N JUCDS hcrvnrgchnbcn. Eine liefe, rlcmcnlure Lvbcns- 
zlnga! spricht aus diesem Bxld, 
1923 über ihn: „Seine Psychoanalyse ist von jener ergreifenden 
Art. . ., der man nicht entrinnen kann, die mit ganz ungeheurem 
Raffinement vorbereitet, unfehlbar ihren Fang machen muß." 
Faszination durch Erfüllung: Man betrachte die Porträts Dirszv 
tay (um 1911) oder Ehrenstcin (1914) um immer noch zu erle- 
ben, was künstlerische Offenbarung heißt! Man sollte es getrost 
wagen, in diesem Zusammenhang den Namen Kokoschkas in 
einem Atemzug mit dem Rembrandts zu nennen - der Haupt- 
unterschied liegt im Typus der Dargestellten, weniger in dem 
des Künstlers. Die solchermaßen enthüllte Welt ist dies in einem 
sehr wortwörtlich zu verstehenden Sinn; das berühmt-berüchtigte 
„Stilleben mit Himmel und Hyazinthe" (1909) offenbart eine 
Welt des Nächtigen, Abseitigen, Enthäutet-Geschundenen, einen 
Bereich der niederen Wesen. Eine „Symphonie der Verwesung" 
hat Sedlmayr es genannt, Nie wird den erlebnisbereitcn Beschauer 
das Gefühl verlassen, als verstecke sich hinter dem Manifesten, 
Offenkundigen dieser „böscn" Welt etwas unsagbar Geheimnis- 
volles, Tiefes, grauenhaft Abgründiges: Das Werk wird zum 
Zeichen, zum Symbol; der Schritt ins Esoterische ist getan. 
Die Zeit hat gelehrt - und Kokoschka hat es in Worten immer 
wieder bestätigt - daß das Ahnen um kommende Katastrophen 
in Werken dieser Art wie nirgendwo sonst und bei keinem m- 
deren Künstler seinen visuellen Niederschlag gefunden ltat. Wir 
wissen heute, daß die Zeit-Katastrophe sich keineswegs mit dem 
ersten Weltkrieg erschöpfte, sondern, von einer Art Atem-Rhyth- 
mus bewegt, immer noch ihrem Klimak zustrebt. 
Von solcher Warte aus gesehen erklärt sich die Tatsache, wes- 
wegen das spätere Gesamtwerk Kokoschkas nicht annähernd so 
zu packen vermag wie jene genialen Bilder der frühesten Zeit. 
Wie alle vernünftigen Menschen hat auch er um des Über- 
lebens, um der Kontunität der Entwicklung willen nach einer 
Stelle inmitten des Chaos gesucht, die relative Sicherheit zu ver- 
heißen schien; vielleicht sind diie verschiedenen Fluchten des 
Künstlers in den Folgejahren so zu erklären. Nicht etwa, dal} 
Kokoschka sich „drücken" wollte - es gibt in Leben und Kunst
	        
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