Ewald Matare: Tor der Hoffnung.
angedeutet, das Verhältnis zur Materie der Bronze klar hervor.
Seine Flächen leben eben schon als Bronzeflächen. Hinsichtlich
der figuralen Durchgestaltung der zehn das Phänomen und die
Wirklichkeit des Glaubens teils illustrierenden, teils bezeichnen-
den Szenen bleibt gleichfalls alles der Bronze anvertraut, wenn
auch die reliefartige Prägung der Szenen und Figuren ein wenig
Als der italienische Bildhauer Giacomo Manzu im Jahre 1954
zum ersten Mal als Lehrer an die Internationale Sommerakade-
mic für bildende Kunst nach Salzburg berufen wurde, tauchte,
nachdem man sich von den Qualifikationen des Meisters über-
zeugt hatte, der Plan auf, ihn mit der Gestaltung des Mittel-
portals am Salzburger Dom zu betrauen. Im März 1957 er-
folgte die Unterzeichnung des Kontraktes, nach kaum einein-
halbjähriger Arbeit am 28. juli 1958 die Einweihung des Werks.
Der Salzburgcr Kunsthändler und Mäzen Friedrich XVt-lz,
Direktor der Internationalen Sommerakademie, veranstaltete
ab Mitte juli 1958 in den Räumen seiner Galerie eine Aus-
stellung der Bronze-Entwürfe und zeichnerischen Skizzen für
das hochwichtige Werk: der interessierte Besucher hat somit
Gelegenheit, am inneren und äußeren Werden einer künstle-
rischen Idee teilzunehmen.
Das ikonographische Programm des Tores wurde vom erzbischöf-
liehen Ordinariat dem Künstler aufgetragen, in der Durchfüh-
rung hatt-z er völlig freie Hand. Das Gesamtkonzept des Werks
steht unter dem Zeichen der „Liebe" in der eingeschränkten
Form der „Caritas". Die Heiligen, welche diese Idee symboli-
sieren sollten, mußten begreiflicherweise in gegenstiindlichem
Zusammenhang mit Salzburg und seinem Dom stehen. Manzü
löste die Aufgabe, indem er die Tür in vier Felder einteilte; das
obere linke stellt den hl. Martin von Tours dar, dessen Kult
seit ältesten Zeiten in Salzburg gepflegt wurde, das korrespon-
dierende Feld rechts ist dem hl. Severin, dem Apostel von No-
ricum, zugewiesen, der von Manzu als Schützer oder Tröster
der Frauen in einer ganz allgemeinen Weise interpretiert wird.
Das linke untere Feld zeigt die hl. Notburga neben dcm sel. En-
gclbert, rechts fanden der h]. Bruder Konrad von Parzham und
sein geistlicher Vater, der hl. Franziskus, Platz. Die hl. Notburga
von Rattcnberg, ein Kind der Erzdio ese Salzburg, lebte in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie ist Schutzpatronin der
Landwirtschaft und galt als Inbild pflichtgetreuer Dienstboten.
Der sel. Engelbert Kolland, ein Zillertaler, studierte in Salz-
burg und erlitt als Missionar in Damaskus den Märtyrertod!
Konrad von Parzham schließlich, „Vater der Armen", war
Pförtne: des St. Anncn-Klosters in Altötting. Er starb 1894 und
wurde 1934 kanonisiert.
Das Programm der 'I'ürfelder wird durch die Symbolik der Tür-
griffe - Weinstock und Ährenbündcl - sowie durch vier am
unteren Türrand angebrachte Tierdarstellungen ergänzt: Brut-
henne, Krähe, Taube und Pelikan. Bei der Gestaltung der Rück-
seite der Türflügel war Manzu auch inhaltlich freie Hand ge-
lassen. Der figurale Schmuck beschränkt sich lediglich auf zwei
Figuren als Türgriffe; dargestellt wurden die Heiligen Virgil
und Rupertus, die geistlichen Schirmherren des Erzbistums. In
die Oberteile der Flügel sind mit großzügigen Linienzügen sym-
bolisehe Olzweige graviert.
angedeutet, das Verhältnis zur Materie der Bronze klar hervor.
Seine Flächen leben eben schon als Bronzeflächen. Hinsichtlich
der figuralen Durchgestaltung der zehn das Phänomen und die
Wirklichkeit des Glaubens teils illustrierendcn, teils bezeichnen-
den Szenen bleibt gleichfalls alles der Bronze anvertraut, wenn
auch die reliefartige Prägung der Szenen und Figuren ein wenig
zu sehr im Konventionellen haftet. Hier ist an sich, nämlich im
Bildnerischen, die Formung des Engelscharmotivs durch Matare
als lebendiger vorzuziehen. Es hätte sich also auch vielleicht das
Thema des Glaubens in eine gelöstere und bewegtere Komposi-
tion übersetzen lassen. Die klassische Statik wird, so hat es we-
nigstens den Anschein, den eigentlichen heutigen Anforderun-
gen an den Glauben, der Notwendigkeit seiner alles durchdrin-
gendei- und oft sogar unbezeichneten oder namenlosen Dyna-
mik nichi ganz gerecht. Auf alle Fälle aber stehen beide Tore,
sowohl das von Matare als auch das von Schneider-Manzell, dem
Mitteltor Manzus hilnerisch nicht nur nicht nach, sondern errei-
chen auch, zumindest in Einzelheiten eine ungleich reichere und
unserer „nördliehererW Formvorstellung nähere Ausdrucksweise,
wobei nach wie vor das Kreuz als Türgriff als das stärkste Zei-
chen gelten kann. j, L,
Künstlerisch erweist sich Manzü (der seit Jahren an den neuen
Bronzetoren von St. Peter arbeitet und alleine dadurch die leben-
digen Zusammenhänge zwischen Rom und Salzburg in klerika-
ler wie in künstlerischer Hinsicht dokumentiert) wiederum als
der Klassiker, als den wir ihn seit seinem ersten Auftreten in
Salzburg kennen: Das Figurale in all seiner formalen und in-
hnltliehen Würde ist bei ihm etwas Selbstverständliches, das
weit jenseits aller Experimente liegt. Überall offenbart sich ein
Geist, dessen Wurzeln noch jenseits der Renaissance in etrus-
kiseh-altitalischem Erbe eingebettet sind.
Die Entwürfe zum Salzburger Domtor wurden von Franz Fuhr-
mann in einer vorzüglich bebilderten und ausgestalteten Publi-
kation (Verlag der Galerie Welz, Salzburg 1958) veröffentlicht.
Dr. K.