sichls des Widerstandes gegen die Kandidatur Philipps II. in
Deutschland seiner Schwester Maria geschrieben hatte, er ärgere
ihn mehr als Franzosen und Türken zusammen -, Ferdinand
also hat den Augsburger Religionsfrieden vom 25. September
1555 zustandegebracht. Der Kaiser, praktisch bereits aus der
Leitung der Rcichsangelegenheiten ausgeschieden, hatte nur
noch seine Kommissare angewiesen, dem Bruder in jeder Hin-
sieht behilflich zu sein; was aber da beschlossen wurde, hätte
er selbst nicht mehr gutheißen können - er hat denn auch sein
Gewissen gegen alles salviert, was eine Alteration der katholi-
schen Religion bedeuten konnte. Bald darauf begannen die Re-
signationen, zuerst die der Souveränswürde des Toisonordens;
anfangs1S56 übergab er seinem Sohne die spanischen Königrei-
che, im September übertrug er die Agenden des Kaisertums sei-
nem Bruder Ferdinand I. -brieflich. Dies bedeutete allerdings
noch nicht die Übernahme der Kaiserwürde durch Ferdinand -
sie erfolgte erst 1558 und stieß anfänglich auf scharfen Wider-
spruch seitens der Kurie, die einem Habsburger, auch wenn er
nicht König von Spanien war, mißtraute, zumal wenn er der Va-
tcr Maximilians II. war; doch dies gehört nicht mehr hierher.
Karl V. gilt gemeinhin für den Schöpfer der Großmachtstellung
Spaniens, das in der Tat im 16. jahrhundert seine gewaltigste
Epoche erlebte. Aber selbst die besten und nachdenklichstcn
Historiographen seiner Zeit haben eine andere Tatsache nicht
richtig einschätzen können - die, daß er, wenngleich wider-
strebend, die Stellung Österreichs in der Welt für 400 Iahre be-
gründet hat, nämlich durch jenen Brüsseler Vertrag von 1522
und durch die Übergabe der Reichsgeschäfte an Ferdinand I.
Ist durch einen spanischen Seefahrer spanischen Königen zu
Ehren der Name Austria zum Namen eines Kontinents geworden
(„Austrialia" am Beginne des 17. Jahrhunderts), so war das
Österreich Ferdinands I. am Ende die dauerhafteste Leistung im
Bereiche der politischen Bemühungen Karls V. - mag es auch
diejenige gewesen sein, deren Bedeutung er selbst am wenigsten
erkannte, weil ihm, wie jedem westlichen Intellekte, das Wesen
und die potentiellen Kräfte unseres „Ostlandes" unklar blieben.
Seine politischen Testamente lassen dies ohne weiteres er-
kennen: in ihnen spielte Österreich so gut wie keine Rolle,
es sei denn als eine der Fronten gegen den Islam. Hier aber
hat er am Ende doch das Richtige getroffen. Vor hundert jahren
etwa schrieb Jacob Burckhardt i_n sein Kollegheft: „Die größte
Rechtfertigung Karls liegt immer in seiner Promachie gegen
den Islam." Wir haben gesehen, daß er niemals in der Lage war,
den Bruder in der Verteidigung dieser einen Berührungslinie
mit dem großen Feinde wirksam zu unterstützen; wohl aber hat
er tunlichst vermieden, die ohnehin stark belastete Finanzkraft
der Länder Ferdinands für seine eigenen Unternehmungen in
Anspruch zu nehmen - diese hat er vorwiegend mit spanischem
und niederländischem Gelde finanziert.
Daß sein Neffe, Maximilian II., der zugleich sein Schwieger-
sohn war, für Karl V. keine übermäßig große Zuneigung hegen
konnte, ist verständlich. Aber schon Kaiser Rudolf II. hat sich
ganz bewußt in die Rolle des Großonkels hineingedacht, und
als ihm, dem größten Kunstsammler unter den alten Habs-
burgern, gelungen war, aus dem Nachlasse des Kardinals Gran-
vella Leone Leonis majestätische Bronzebüste Karls V. zu er-
werben, hat er sich selbst durch Adrian de Vries 1603 in genau
derselben Manier darstellen lassen. Es würde einmal der Mühe
wert sein, der Rolle Karls V. im Denken der Nachwelt, vor allem
seiner eigenen Verwandten, nachzugehen - ganz groß war sie
verständlicherweise noch einmal unter Karl VI., der ja, als
Karl III., eine Zeitlang selbst noch Spanien wenigstens teil-
weise beherrschte, wozu ihm die Namensgleichheit ein günstiges
Omen bedeutete. Hat er doch auch das Wappen Karls V. - den
Turm von Kastilien und den Bindenschild von Österreich _-
mit Betonung gebraucht!
Unter den Habsburgern lothringischen Stammes ist das An-
denken an Karl V. allmählich verblaßt. Metternich hat aller-
dings gelegentlich beabsichtigt, cine Geschichte des Weltreich-
kaisers durch Friedrich Hurter schreiben zu lassen - es ist
nicht mehr dazu gekommen. Erst der emsige Joseph Chmel
hat - vor etwa hundert jahren - in seinen Monumenta
Habsburgica begonnen, Aktenstückc zur Geschichte des Kai-
sers aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv durch
Karl Lanz mitteilen zu lassen, und mit der Zeit sind
noch manche wichtige Publikationen zu diesem Thema von
österreichischer Seite erfolgt. So ist allmählich an die Stelle
mehr oder weniger gefühlsmäßiger Nachwirkungen die kühle
akademische Reflexion getreten, die einem nüchtern und un-
romantisch gewordenen Menschengeschlechte die verblaßtcn
und verwaschenen Konturen einer fernen Persönlichkeit mit
oft peinlicher Schärfe klarzieht, dafür aber auch Qualitäten an
ihr erkennt, die eine noch so gut gemeinte bloß patriotische
Betrachtungsweise gar nicht zu benennen vermöchte.
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Brief Marlin Luthers an j. Cus-
pinian. Luther berichtet von seinem
Auftreten vor dem Kaiser beim
Wormser Reichstag.
Ustarr. Nationalbibliothek, Wien.
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