Klosterneuburg sollte nach seinem Willen zu einem österreichi-
schen Escorial ausgebaut werden; das rege Interesse für See-
fahrt und Seehandel, dem der Aufschwung des Seehafens Triest
und die Gründung der Handelsgesellschaft von Ostendc zu dan-
ken waren, erwachte in Karl während seines langen Aufent-
haltes in Spanien. In den beiden Säulen der Karlskirche, deren
architektonisches Vorbild die römischen Kaisersäulen waren,
klang die Erinnerung an das Wappen Karls V. an. Ein „spani-
scher Rat" in Wien, gebildet aus spanischen Adeligen, die als
Gefolgsleute Karls ins Exil gegangen waren, verwaltete die aus
dem spanischen Erbe stammenden Nebenländer in Italien, Mai-
land, Neapel und Sardinien (später an dessen Stelle Sizilien).
Der Gedanke einer Familienverbindung mit dem jetzt in Spanien
regierenden Zweig der Bourbonen hat die österreichische Politik
lange Zeit beschäftigt und jahrelang wurde über eine mögliche
Eheschließung zwischen Maria Theresia und dem spanischen
Infanten Don Carlos verhandelt. Der jüngere Sohn Maria There-
sias, Peter Leopold, der spätere Kaiser Leopold II., hat dann
1765 in Innsbruck die spanische Infantin Maria Luisa geheiratet,
die zur Ahne aller späteren Habsburg-Lothringer wurde.
Boten so die dynastischen Beziehungen ebenso wie die europäi-
sche Kabinettspolitik immer wieder Gelegenheit zu spanisch-
österreichischen Begegnungen, so trat der spanische Kultur-
einfluß im 18. Jahrhundert, wie im ganzen übrigen Europa
auch in Österreich, gegenüber dem dominierenden französischen
und dem, vor allem auf dem Gebiet der bildenden Künste, der
Dichtung und Musik, aber auch in der Sprache, noch sehr be-
deutenden italienischen immer mehr zurück. Ein weiteres we-
sentliches Band schwand mit der Aufhebung des Jesuitenordens.
Die Erinnerung an die österreichisch-spanischen Beziehungen
blieb in Redensarten und Schlagworten (wie dem vom „spani-
schen Hofzeremoniell") erhalten, wurde wohl auch in kleinen
Zirkeln der Gebildeten gelegentlich berufen, stellte aber keine
starke geistige Realität mehr dar. Die Wiederentdeckung dieser
Beziehung im 19. Jahrhundert ist eine Folge der deutschen R0-
mantik, wobei gewiß alte Reminiszenzen und Affinitäten wieder
lebendig wurden. Das gilt vor allem für Grillparzer, dessen
erstes (das vor kurzem in Wien „uraufgeführte", von Schillers
„Don Carlos" beeinflußte jugenddrama „Blanka von Kastilien")
und letztes Werk (die „jüdin von Toledo") spanischen Stoffen
gewidmet waren und dessen Dichtung auch sonst durch die von
ihm eifrig studierte spanische Literatur, vor allem Calderon und
Lope de Vega, stark beeinfluilt wurde. Eine innere Affinität
zwischen dem „desengafio", der Desillusionierung in der Nieder-
gangszeit der spanischen Großmacht, und der „ResignationT,
die, wie Wilhelm Bietak überzeugend dargetan hat, den Grund-
akkord im „Lebensgefühl des österreichischen Biedermeier"
bildet und die gesamte Dichtung jener Epoche erfüllt, spielte
dabei gewiß eine entscheidende Rolle und bei dem Verhältnis
von Grillparzers „Der Traum ein Leben" zu Calderons „Das
Leben ein Traum", sowie überhaupt in dem Verhältnis zwischen
der spanischen und der österreichischen „Traumlitcratur" ist
diese Beziehung ja mit Händen zu greifen.
Nach dem Untergang der Habsburgermonarchie, als die Dich-
tung das zerschlagene Großreich als ein Traumreich der Phan-
tasie auf höherer Ebene neu- und nachschuf, konnte daher die
Betonung der spanisch-österreichischen Beziehung als des ex-
tremen Gegenpols zu der erzwungenen Beschränkung auf den
Raum einer kleinen „Alpenrepublik" nicht ausbleiben. Bei Hof-
mannsthal, Lernet-Holenia, ja schließlich auch bei Herz-
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Titelblatt des „Carccll de amor", von Hans Lud-
wig Frh. v. Kuefslein aus dem Spanischen ins
Deutsche übersetzt.
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manovsky-Orlando ist die Beziehung zu Spanien gleichsam ein
„Geheimbezirk" österreichischen Wesens, wie denn auch ein
deutscher Kritiker und Literarhistoriker, Karl August Horst,
in einem tiefschürfenden Essay mit dem bezeichnenden Titel
„Austria Hispanica" (Zeitschrfit „Wort und Wahrheit", März
1955) eben das besondere, das die österreichische Literatur von
der übrigen deutschsprachigen unterscheidende Element in die-
ser Beziehung zum Spanischen sehen will. Wenn er dabei die
ähnliche politisch-geographische Situation in der Verteidigung
des Abendlandes gegenüber dem Ansturm des Islams hervor-
hebt, so mag man dies noch mit dem Hinweis auf eine ähnliche
Randlage gegenüber den Kernlandschaften der europäischen
Kultur ergänzen und mit der Erwägung, daß in Spanien eine
ähnliche Harmonisierung französischer und italienischer Im-
pulse stattfand wie in Österreich. Die durch zwei Jahrhunderte
währende dynastische Verbindung der beiden habsburgischen
Linien aber bleibt, da sie eine umfassende Begegnung und damit
das Wirksamwerden solcher Affinitäten erst ermöglichte, das
geschichtlich entscheidende Faktum.