Konrad Seuscnhofer, Innsbruck 1512-1514. Knaben-Faltenroekhar-
nisch Karls V.
d. Ä. (1471) bis 1536) angebracht. So entstand in gesteigerter 7.u-
sammenarbeit in der Hoehblüte der deutschen Frührenaissancc
einer der reizvollsten und kostbarsten Harnische des Abend-
landes. Er wurde von Konrads Bruder Hans Seusenhofer nach
Antwerpen gebracht, um von dort an den jungen Erzherzog
Karl weitergeleitet zu werden.
In zeitlicher Ordnung folgen zunächst zwei Degen, beide auf
den Klingen datiert 1530. Die Klinge des einen (A 451) trägt
neben der schwarzgeätzten Inschrift CAES. CAROLVS V.
SEMP. F. AVGVST. AN. AET: XXX. Karls Bildnismedaillon
und die italienische Klingenschmiedemarke des Mohrenkönigs-
kopfes; auf der Rückseite DATORI. QVIETATIS M. D. XXX.
und die beiden Säulen über den Wellen rnit dem Wahlspruch
PLVS VLTRA. Die einfache, aber elegante italienische Fassung
mit ringförmigem Knauf besteht aus vergoldeter Bronze, der
Griff ist mit Kugelfischhaut überzogen.
Vom anderen, einem sogenannten Kalenderdegen (A 431),
stammt nur die Klinge von Karl V. Die ausgewogene geformte
Korbdegenfassung, mit feinem Rankenwerk in Gold- und Silber-
tauschierung vüllig überzogen, ist um etwa 1600 hinzugefügt
worden. Die Klinge aber führt stolz neben dem gekrönten
Kaiscrwappen und dem Kaisernamen die Meistcrsignatur des
Ätzers, auf den auch der geätzte Kalender für das jahr 1530
zurückgeht: (ÄAROLVS. ROMANORVNI. SEMPER. VLTRA.
1530.AMBROSIGEb1l.IC}-l. DE. MONACO, bzw. auf der R ück-
Seite SI DEVS NOBISCVM QVIS CONTRA NOS. QVIS FOK-
CIOR. Verteilung und Charakter der Schrift sind technisch und
künstlerisch von höchster Feinheit und Vollendung. Ambrosius
Gemlich, in München zwischen 1527 und 1542 tätig nachweisbar,
ist der meisterliche Ätzer manchen Degens und Dolchcs, sowie
manchen Ilarnisches, der in der nahen herzoglich-nicderbayri-
sehen Residenz Landshut geschlagen ist.
Karl V. bevorzugte für seine Harnische und Harnischgarnituren,
die er im Feld, zum Turnier und zu festlicher Repräsentation
gebrauchte, eindeutig zwei Quellen, die zwei leistungsfähigsten
Werkstätten seiner Zeit, die der Negroli, viel mehr noch die der
llclmsehmid in Augsburg. Als Geschenke erhielt er auch Ar-
heiten des Mailänders Caremolo Modrone aus Mantua. Doch
stammen alle seine Harnische aus den jahren nicht viel vor
1530 bis 1545. Verständlicherweise ist hier die Madrider Real
Armeria der Wiener Waffensammlung um ein Vielfaches über-
legen. Von den nahezu 40 Harnischen, die Karl V. hinterließ,
als er sich 1556 ins Kloster von San Yuste zurückzog, steht
nur einer in Wien.
Sein Neffe, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529 bis 1595),
hatte 1572 auf dringenden Wunsch einen Harnisch Philipps II..
Königs von Spanien (1527 bis 1598), Sohnes und Nachfolgers
des Kaisers, für seine Ambraser Heldenrüstkammer ohne weiv
tcres erhalten (A 547). Auf diesem befand sich irrtümlich ein
Helm des Kaisers selbst. Als Ferdinand 1577 von Philipp einen
ganzen Harnisch Karls V. erbat, wurde er abgewiesen. Philipp
schätzte die Rüstungen seines Vaters ihres llrinnerungswcrtes
halber viel höher als seine eigenen. Später muß er sich aber doch
entschlossen haben, auf einen zu verzichten. Der Ambrascr Har-
nisch Karls V. (A 546) trug seinerseits einen Helm samt zweitem
Bart des Kaisers, der nicht ursprünglich zum liarnisch gehörte.
So hat die Wiener Waffensammlung, in der seit 1889 die „Kai-
serliche Ambraser-Sammlung" aufgegangen ist, auf diese Art
an drei Mannsharniscben Karls V. aus verschiedener Zeit teil.
Mehr noch, es finden sich in Wien, zum Teil bis vor kurzem
unerkannt, außerdem drei Werke, die als seine Leibwaffen nach-
weisbar sind: an deutschen Arbeiten ein Paar besonders kon-
struierter Handschuhe und das Schildchen von einer Roßstirn
mit seinen Emblemen, ferner ein italienisches Meisterwerk von
Helm und Schild.
Man möchte annehmen, daß alle die deutschen, genauer süd-
deutschen Arbeiten, von denen hier anschließend die Rede ist,
von Desiderius Kolman Helmschmid (1513 bis 1579) in Augs-
burg herrühren. (Das „Kolman" ist Patronymium, Vatersname.)
[)esiderius scheint nahezu der einzige Deutsche zu sein, der
nach dem Tode des Kolman Hclmsehmid (1471 bis 1532) eines
kaiserlichen Auftrages gewürdigt wird. Von eben diesem Kol-
man, dem Vater, besitzt die Wiener Waffensammlung keine
gesicherte Arbeit aus des Kaisers Besitz. Nur der Halbharnisch
Karls V. (A 546) ist als Werk des Desidcrius nachgewiesen, die
übrigen Wiener Teile sind lediglich durch Stilvergleichung,
aber doch mit höchster Wahrscheinlichkeit ihm zugeschrieben.
Das Handsehuhpaar (A 381) ist technisch ganz eigenartig ge-
baut. Längsstreifen von Kcttenpanzer wechseln mit solchen von
dachziegelartig übereinander gesetzten Stahlpliittehen oder La-
mellen. Der Orient steht Pate bei die r Technik, aus der der
liarnischtypus des „jazerin" (ghia 'in0) entwickelt ist.
Karl V. hat mehrfach Interesse an dieser Technik gezeigt. Im
Bildinventar seiner Madrider Rüstkammcr von 1544 kommen
drei Paar Handschuhe dieser Konstruktion vor. In Wien hat
sich wahrscheinlich das Paar erhalten, das der Kaiser auf seinem
Feldzug gegen Tunis 1535 benützie. Wie alle deutschen Har-
nische Karls V. ist auch diese Arbeit reich goldgeiitzt.
Die geschlossene Sturmhaube Karls V., die mit dem Harnisch
Philipps II. nach Ambras geschenkt wurde (A 547), stammt van
der Garnitur, die der Kaiser 15-11 auf dem Feldzug gegen Algier
trug. Dies beweist die Zeichnung im Madridei" Bildinventar von
15-14. Hiezu fand sich neuerlich in Wien das innere, doppelte
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