Modell der
muerpfeif.
Gittervisier (A 426). Die klare reine Rundform ist mit meister-
lich verteilter Goldätzung verziert, Fabelwescn in Laubwerk ein-
gebettet.
Der Wiener Harnisch (A 546) ist nachweislich Teil der Gar-
nitur, welche Karl im Erbstreit um das Herzogtum Cleve 1543
führte. Er besteht aus Kragen, Brust mit versenkbarem „Rüst-
haken" (zum Auflegen der Lanze), daran lange Schöße, die
zweimal zu verkürzen sind, und zwar zu langen und zu kurzen
Beintaschen - ferner aus Rücken, Schultern und Armzeugen.
Die Handschuhe, die in Inventaren ab 1596 erwähnt und im
Ambraser Bildinventar von 1601 abgebildet erscheinen, sind
inzwischen verschollen. Die zugehörigen Teile in Madrid tragen
das Datum 1543 und die Meistermarke des Desiderius Helm-
schmid neben dem Augsburger Stadtpyr.
Seine Sonderkonstruktion ermöglicht verschiedene Verwen-
dungsweisen des Harnisches: Mit Rüsthaken und Beintaschen,
wozu Beinzeuge zu tragen waren, ergibt sich ein Feldkurili.
Ohne Rüsthaken mit den unverkürzten Schößen ergibt sich die
leichtere Art des Harnaschs, der nur bis zum Knie reicht und den
Harnischtypus des Infanterieoffizicrs darstellt. Noch eine kon-
struktive Besonderheit zeichnet den Harnisch aus: Die Brust
enthält innen ein Federsystem, das die beweglichen Achselein-
sätze nach außen drückt. Nur bei Karl V. und seinem Sohn ist
diese Finesse festgestellt. Damit ist ein technisches Höchstmaß
von Eleganz und Präzision verwirklicht. Dabei ist dieses typi-
sche Werk der Hochrenaissance auch von höchster bildnerischer
Qualität. Das Fluten seiner Linien und Umrisse, Flächen und
Rundungen wird wirkungsvoll unterstützt von meisterliche:-
Ätzung: Blattranken auf den Rändern und schmalen Parallel-
streifen, die Muttergottes auf der Brust und die heilige Barbara
auf dem Rücken, wie sie beide für die Harnische Karls V. so
bezeichnend sind. Die Ätzmaler des Kaisers sind leider nicht
identifiziert. Sicherlich nahm es Karl V. an Eleganz der Er-
scheinung mit seinem großen Widersacher und Gegenspieler
König Franz I. von Frankreich auf. Kein besserer Beweis dafür
als seine Harnische, die in ihrer Vollendung ganz seltsam von
seiner bekannt nachlässigen Zivilkleidung abstechen.
Der mit der Schenkung beigegebene Helm (A 54-6) samt zweitem
Bart (A 546 a) gehört, wie gesagt, nicht ursprünglich zum Har-
nisch. Von welcher Garnitur sie Teile sind, ist vorläufig nicht
zu sagen. Im Madrider Bildinventar von 154-1 erscheinen sie
nicht. Ihre Entstehungszeit wird also wohl um 1545 liegen.
Der Helm, wieder eine geschlossene Sturmhaube ganz eigener
Bauart, mit präzise eingepaßtem, abwärts zu öffnendem Bart,
ist eiförmig hochgezogen. Die klassische Form wird damit zu-
gunsten manieristischer Tendenzen verlassen. Die Ohren sind
naturalistisch nachgetrieben. Die zarte, vergoldete Ätzung zeigt
feine Blattranken auf Punktgrund. Der ganze steife Bart, wie die
Fachsprache lautet, ist mit gleichen Mustern geätzt. Er stellt
eine verschnallbare Kinnverstärkung mit Halsreifen dar. lir
paßt ebenso haargenau auf den Helm und kann als starre Form
die andere bewegliche ersetzen.
Das Stirnschildchen (A 592), das seinem Schnitt nach um 1545
entstanden sein wird, trägt geätzt auf schwarzem Punktgrund
die vergoldete Figur des Herkules, der die beiden Säulen -
die Felsen von Gibraltar und Ceuta - trägt. Dies ist ausge-
sprochen die Symboldarstellung Karls V., dessen Wahlspruch
„plus ultra" nichts anderes sagen will als „darüber - nämlich
über die Grenzen der Alten Welt, die im Westen mit Gibraltar
endete - hinaus". Zu welcher seiner Garnituren dieses 'l'eil-
stück gehört, wird erst festzustellen sein, wenn alle seine Ma-
drider Harnische einmal kritisch gesichtet, geordnet und rich-
tig montiert sein werden.
Damit wäre die süddeutsche (Augsburger, Helmschmidsche)
Erzeugung für Karl V., soweit in Wien erhalten, erschöpft. Ein
Hauptwerk der Mailänder Waffcnschmiede bleibt noch zu schil-
dern: die offene Sturmhaube all' antica und der zugehörige
prunkvolle Rundschild (A 693, A 693 a). Die Widmungsinschrift
„(Iarolo V im(peratori) s(emper) a(ugust0)" verkündet den Be-
sitzcr. Der Schenker ist offenbar sein Bruder, der irömische
König, später Kaiser Ferdinand I. Anlaß zur Entstehung gab der
Feldzug Karls V. nach Algier 1541. So sagt es die Emblematik
der beiden Waffenstückc. S0 spricht der stilistische Vergleich
mit den verwandten Objekten in Madrid, der zugleich als Mei-
ster der virtuosen Treibarbeit Filippo Negroli von Mailand und
als Meister der Goldtauschierung dessen Bruder Francesco er-
schließt.
Der Ruhm des Filippo Ncgroli (erwähnt 1531 bis 1553) über-
schaltet alle italienischen Künstler des Treibhammers, alle
künftigen Erzeuger des rcliefgeschmückten Prachtharnisches.
Voll Erfindungskraft offenbart er Jahr um Jahr, von Werk zu
Werk neue selbständige invenzioni und concetti. Seine Prunk-
waffen für Karl V. lassen den Renaissancekaiser als legitimen
Nachfolger der römischen Imperatoren in Erscheinung treten.
Hier lebt die Antike in beabsichtigter Nachbildung altehrwür-
diger Formen und Inhalte auf: der Helmtypus der cassis, das
Visier mit dem Löwenkopf des Herkules, die Meeresfabelwcsen
auf der Helmglocke, - auf dem Rundschild die vier Mcdaillons
von Feldherren und Imperatoren, die Afrika für Rom erobert
haben, der Zug der Tritonen und Nereiden, die auf Kupferstiche
von Andrea Mantegna zurückgehen, hier auf Karls V. Kriegs-
zug über See anspielend, der unerhört ausdrucksvolle Kopf der
Medusa im mittelsten Rund des Schildes. Von Frühwerken der
Relicfplastik in Stahl wie diesen geht bis an die Schwelle des
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