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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 11)

DIE MEXIKANISCHEN KOSTBARKEITEN IN WIEN 
HISTORISCHE DOKUMENTE AUS DER REGIERUNGSZEIT KARLS V. 
Von KARL A. NOWOTNY 
Albrecht Dürer mußte die „Begnadungen", die er von Maximi- 
lian erhalten hatte, vom neuen Kaiser bestätigen lassen. Er 
begab sich zu diesem Zweck zur Krönung und zu den anschlie- 
ßenden Huldigungen in den Niederlanden (Karl V. wurde am 
23. Oktober 1520 in Aachen gekrönt). Am „Montag nach Bar- 
tholomaej" kam Dürer in Brüssel an und schrieb dort in sein 
„Tagebuch der Reise in die Niederlande": 
„Auch hab ich gesehen die dieng, die man dem könig (es ist 
die Zeit vor der Krönung) auß dem neuen gulden land (Mexiko) 
hat gebracht, ein ganz guldene sonnen, einer ganzen klafftern 
braith, deßgleichen ein ganz silbern mand (Mond), auch also 
groß, deßgleichen zwo kammern voll derselben rüstung, deß- 
gleichen von allcrlcy ihrer Waffen, harniseh, geschuz, wunder- 
barlich wahr (Wehr, Schilde), selzamer klaidung, pettgewand 
und allerley wunderbahrlicher ding zu manniglichem brauch, 
das do viel schöner zu sehen ist, dan wunderding. Diese ding 
sind alle köstlich gewesen, das man sie beschäzt hunder tausent 
gulden werth. Und ich hab aber all mein lebtag nichts gesehen, 
das mein herz also crfreuct hat, als diese ding. Dann ich hab 
darin gesehen wunderliche künstliche ding und hab mich ver- 
wundert der subtilen ingenia der menschen in frembden landen. 
Und der ding weiß ich nit außzusprechen, die ich do gehabt 
hab." 
Unter den zeitgenössischen Berichten über die ersten Sendun- 
gen mexikanischer Gegenstände nach Europa nehmen Dürers 
Angaben eine Sonderstellung ein. Sie sind weit unbeholfener als 
die sachlichen Beschreibungen der spanischen Geschichts- 
schreiber und können natürlich nicht jene Unmittelbarkeit des 
Erlebens haben, wie die Berichte der Eroberer selbst. Bei aller 
ihrer Schwere sind Dürers Angaben jedoch ungemein treffend. 
Zwei Dinge hebt er hervor, die auch heute noch unvermindert 
gültig sind: die Pracht der Gegenstände des altamerikanischen 
Kunstgewerbes und die schier unlösbaren Rätsel, die sie dem 
Menschen der Alten Welt aufgeben. 
Ein Großteil der Berichte über Mexiko aus dieser Zeit hat den 
Charakter von „Zeitungen". Die ersten Berichte erregen Stau- 
nen, werden abgeschrieben und weitergereicht. Bald erlischt das 
Interesse an der Sensation und neue, noch uncrhörtere Ent- 
deckungen werden kaum mehr beachtet. Der Weg nach Mexiko 
war durch den Piratenkrieg sehr gefährlich, der „Rat von 
Indien" erließ infolgedessen strenge Sperren. Hinter dieser 
Mauer Schwanden die amerikanischen Kulturen unbeachtet da- 
hin. Die eigentlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein- 
setzende wissenschaftliche Arbeit hat zunächst nur den ganzen 
Umfang des Verlustes zum Bewußtsein gebracht. 
Cortez erhielt 1519, kurz nach seiner Landung, ein so kostbares 
Geschenk von Montezuma, daß er den Beschluß faßte, das Land, 
das so viele Kostbarkeiten enthielt, zu erobern. Damit setzte er 
sich allerdings in klaren Widerspruch zu den militärischen Be- 
fehlen, die er in Cuba erhalten hatte. In aller Hast wurde eine 
Stadt als Ausgangspunkt gegründet: Vera Cruz. Die Offiziere 
des Cortez bildeten den Rat dieser Stadt. Die Geschenke wurden 
mit deutlicher Absicht, seine Pläne zu rechtfertigen und die 
Bedeutung des Gebietes vor Augen zu führen, an den König 
weitergereicht. Der spanische Hof verschob die Entscheidung 
darüber, ob eine Tat militärischen Ungehorsams vorlag, bis die 
Ereignisse, die Eroberung Mexikos, eine solche Entscheidung 
überflüssig machten. 
Dieser ersten Sendung mexikanischer Gegenstände folgten wei- 
tere, deren Listen zum Teil vorhanden sind. Es muß also da- 
mals in Europa viele Hunderte solcher Stücke gegeben haben, 
 
Federschild. Blauer Coyotc auf rosarotem Grund. Alle Umrisse sind 
mit Goldblech eingcfaßt. Der Coyotc singt ein Kriegslicd. 
Museum für Völkerkunde, Wien. 
die zum Schmuck von Schlössern und Klöstern dienten, bis die 
Federn von Motten zerfressen, die Mosaiken zerfallen Waren und 
dasGold eingeschmolzen war. Es ist heute ungemein schwie- 
rig, die Herkunft des Erhaltenen im einzelnen zu bestimmen. 
Unter den Wiener Stüc -n befinden sich immerhin zwei, der 
Federfächer und der Türkisschild, bei denen sich keine Wider- 
sprüche ergeben und die tatsächlich aus dem Geschenk des 
Montezuma Stammen könnten. 
Den Sinn des Gcschcnkes des Montezuma macht eine Seite aus 
der Wiener Handschrift deutlich. Man überreichte Cortez die 
Ausstattungsstücke cincs kultischen Dramas, Bilder von Sonnc 
und Mond aus Gold und Silber, bestehend aus riesigen getrie- 
benen Scheibcn aus dickem Blech, und liederkleidcr, in denen 
die Priester als Götter auftraten. Solche zum andeutenden Tanz 
erstarrte Dramen bildeten den Anziehungspunkt des städtischen 
Lebens in Mittelamerika. Eine Jahrtausende alte Überlieferung 
hat für diese Vorführungen Ausstattungsstückc geschaffen, die 
mit ihrcr Verwendung von Gold und von Federn tropischer 
Vögel eine unvorstellbare Prachtentfaitung erreichten. Nicht 
minder prächtig waren die Wattepanzer, Schilde und Devisen 
der Krieger. Heute muß man durch ganz Europa reisen, um die 
letzten Reste zu sehen. Albrecht Dürer sah noch einen vollstän- 
digen Satz solcher Gegenstände. Sein Tagebuch ist eigentlich 
ein Rcchnungsbuch, nur selten finden sich darin ausführlichere 
  
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