DIE MEXIKANISCHEN KOSTBARKEITEN IN WIEN
HISTORISCHE DOKUMENTE AUS DER REGIERUNGSZEIT KARLS V.
Von KARL A. NOWOTNY
Albrecht Dürer mußte die „Begnadungen", die er von Maximi-
lian erhalten hatte, vom neuen Kaiser bestätigen lassen. Er
begab sich zu diesem Zweck zur Krönung und zu den anschlie-
ßenden Huldigungen in den Niederlanden (Karl V. wurde am
23. Oktober 1520 in Aachen gekrönt). Am „Montag nach Bar-
tholomaej" kam Dürer in Brüssel an und schrieb dort in sein
„Tagebuch der Reise in die Niederlande":
„Auch hab ich gesehen die dieng, die man dem könig (es ist
die Zeit vor der Krönung) auß dem neuen gulden land (Mexiko)
hat gebracht, ein ganz guldene sonnen, einer ganzen klafftern
braith, deßgleichen ein ganz silbern mand (Mond), auch also
groß, deßgleichen zwo kammern voll derselben rüstung, deß-
gleichen von allcrlcy ihrer Waffen, harniseh, geschuz, wunder-
barlich wahr (Wehr, Schilde), selzamer klaidung, pettgewand
und allerley wunderbahrlicher ding zu manniglichem brauch,
das do viel schöner zu sehen ist, dan wunderding. Diese ding
sind alle köstlich gewesen, das man sie beschäzt hunder tausent
gulden werth. Und ich hab aber all mein lebtag nichts gesehen,
das mein herz also crfreuct hat, als diese ding. Dann ich hab
darin gesehen wunderliche künstliche ding und hab mich ver-
wundert der subtilen ingenia der menschen in frembden landen.
Und der ding weiß ich nit außzusprechen, die ich do gehabt
hab."
Unter den zeitgenössischen Berichten über die ersten Sendun-
gen mexikanischer Gegenstände nach Europa nehmen Dürers
Angaben eine Sonderstellung ein. Sie sind weit unbeholfener als
die sachlichen Beschreibungen der spanischen Geschichts-
schreiber und können natürlich nicht jene Unmittelbarkeit des
Erlebens haben, wie die Berichte der Eroberer selbst. Bei aller
ihrer Schwere sind Dürers Angaben jedoch ungemein treffend.
Zwei Dinge hebt er hervor, die auch heute noch unvermindert
gültig sind: die Pracht der Gegenstände des altamerikanischen
Kunstgewerbes und die schier unlösbaren Rätsel, die sie dem
Menschen der Alten Welt aufgeben.
Ein Großteil der Berichte über Mexiko aus dieser Zeit hat den
Charakter von „Zeitungen". Die ersten Berichte erregen Stau-
nen, werden abgeschrieben und weitergereicht. Bald erlischt das
Interesse an der Sensation und neue, noch uncrhörtere Ent-
deckungen werden kaum mehr beachtet. Der Weg nach Mexiko
war durch den Piratenkrieg sehr gefährlich, der „Rat von
Indien" erließ infolgedessen strenge Sperren. Hinter dieser
Mauer Schwanden die amerikanischen Kulturen unbeachtet da-
hin. Die eigentlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein-
setzende wissenschaftliche Arbeit hat zunächst nur den ganzen
Umfang des Verlustes zum Bewußtsein gebracht.
Cortez erhielt 1519, kurz nach seiner Landung, ein so kostbares
Geschenk von Montezuma, daß er den Beschluß faßte, das Land,
das so viele Kostbarkeiten enthielt, zu erobern. Damit setzte er
sich allerdings in klaren Widerspruch zu den militärischen Be-
fehlen, die er in Cuba erhalten hatte. In aller Hast wurde eine
Stadt als Ausgangspunkt gegründet: Vera Cruz. Die Offiziere
des Cortez bildeten den Rat dieser Stadt. Die Geschenke wurden
mit deutlicher Absicht, seine Pläne zu rechtfertigen und die
Bedeutung des Gebietes vor Augen zu führen, an den König
weitergereicht. Der spanische Hof verschob die Entscheidung
darüber, ob eine Tat militärischen Ungehorsams vorlag, bis die
Ereignisse, die Eroberung Mexikos, eine solche Entscheidung
überflüssig machten.
Dieser ersten Sendung mexikanischer Gegenstände folgten wei-
tere, deren Listen zum Teil vorhanden sind. Es muß also da-
mals in Europa viele Hunderte solcher Stücke gegeben haben,
Federschild. Blauer Coyotc auf rosarotem Grund. Alle Umrisse sind
mit Goldblech eingcfaßt. Der Coyotc singt ein Kriegslicd.
Museum für Völkerkunde, Wien.
die zum Schmuck von Schlössern und Klöstern dienten, bis die
Federn von Motten zerfressen, die Mosaiken zerfallen Waren und
dasGold eingeschmolzen war. Es ist heute ungemein schwie-
rig, die Herkunft des Erhaltenen im einzelnen zu bestimmen.
Unter den Wiener Stüc -n befinden sich immerhin zwei, der
Federfächer und der Türkisschild, bei denen sich keine Wider-
sprüche ergeben und die tatsächlich aus dem Geschenk des
Montezuma Stammen könnten.
Den Sinn des Gcschcnkes des Montezuma macht eine Seite aus
der Wiener Handschrift deutlich. Man überreichte Cortez die
Ausstattungsstücke cincs kultischen Dramas, Bilder von Sonnc
und Mond aus Gold und Silber, bestehend aus riesigen getrie-
benen Scheibcn aus dickem Blech, und liederkleidcr, in denen
die Priester als Götter auftraten. Solche zum andeutenden Tanz
erstarrte Dramen bildeten den Anziehungspunkt des städtischen
Lebens in Mittelamerika. Eine Jahrtausende alte Überlieferung
hat für diese Vorführungen Ausstattungsstückc geschaffen, die
mit ihrcr Verwendung von Gold und von Federn tropischer
Vögel eine unvorstellbare Prachtentfaitung erreichten. Nicht
minder prächtig waren die Wattepanzer, Schilde und Devisen
der Krieger. Heute muß man durch ganz Europa reisen, um die
letzten Reste zu sehen. Albrecht Dürer sah noch einen vollstän-
digen Satz solcher Gegenstände. Sein Tagebuch ist eigentlich
ein Rcchnungsbuch, nur selten finden sich darin ausführlichere
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