Vogel dar; ein goldener Schnabel, der das Bild vervollständigte,
verschwand erst im 18. Jahrhundert. Wenn noch heute oft nach
dem „Mantel des Montezuma" gefragt wird, so ist das eine Fehl-
bezeichnung, die lediglich einigen Zeitungsartikeln am Ende
des 19. Jahrhunderts ihre Entstehung verdankt.
Neben der Pracht der glänzenden Federn des Kopfschmuckes
verblaßt der Federschild, der eigentlich kunstvoller gearbeitet
ist. Dargestellt ist ein Coyote, der ein Kriegslied singt; der aus
seinem Maul kommende Streifen zeigt reißendes Wasser und
brennende Felder - die im alten Mexiko übliche Metapher für
den Krieg. Ist der Kopfschmuck eine Federknüpfarbeit, so ist
der Schild eine Klebearbeit. Abgeschnittene Federfahnen sind
auf indianisches Papier (geklopfter Baumbast) aufgeklebt, die
Umrisse sind aus dünnem Goldblech geformt.
Das dritte dieser Unikate ist ein Federfächer aus blauen Arara-
federn. Er ist durchbrochen gearbeitet, in der Nabe seiner Spei-
chen ist ein Schmetterling dargestellt. Das Band mit den V-för-
migen Winkeln ist bunt; seine sieben Farben sind keineswegs
willkürlich angeordnet, sondern bilden einen äußerst durch-
dachten und kunstvollen Farbenturnus. Wahrscheinlich war
dieser Fächer ursprünglich noch mit Goldblechstücken verziert.
Das vierte große Stück ist einer jener Türkisschilde, von denen
mehrere die Jahrhunderte überdauert haben. Auf einem Holz-
schild sind tausende kleine Türkisplältchen eingelegt. Die Tech-
nik unterscheidet sich grundsätzlich von der europäischen
Mosaiktechnik, denn die die Figuren zusammensetzenden Steine
sind plastisch verziert und ragen ein wenig über den unvcrzicr-
ten Grund. Sie bilden ein Flachrelief. Auf dem Schild sind die
Sonne am Himmel und der wassergcfüllte Mond dargestellt.
Darunter ist die Erde durch einen offenen Krokodilrachen an-
gedeutet. Über zwanzig tanzende Kriegergestalten füllen den
leeren Raum.
Die übrigen Ambraser Stücke bestehen aus einem nach der
Eroberung entstandenen Hundckopf mit Glasscherben als Mo-
saikauflage und einigen sehr fein gearbeiteten kleinen Stein-
gegenständen. Letztere sind im Inventar von 1596 nicht ange-
führt. Sie können Reste von großen Schmuckkctten sein oder
Einzelstücke, die auf irgendwelchen Wegen vor oder nach 1596
nach Ambras gelangten.
In der Wiener Schatzkammer fand sich anläßlich jener Kommas-
sierungen, die um 1880 bei der Gründung der großen Museen
vorgenommen wurden, ein großer rechteckiger Ohsidianspicgcl
in Holzfassung. Man weiß von diesen Spiegeln nicht, 0b sic
vorspanisch oder nachspanisch sind.
Sehr zu bedauern ist, daß man über die Geschichte des merk-
würdigsten Stückes nichts sagen kann, das im 19. Jahrhundert
im k.k.Münz- und Antikenkabinett auftauchte. Es handelt sich
um einen Brustschmuck in Form eines kleinen tierköpfigen Göt-
terbildes aus Eichenholz. Dieses liigürchen zeigt eine Menge von
kunstgewerblichen Techniken. Leider sind viele seiner Verzie-
rungen, die mit Holzstiften befestigt waren, verlorengegangen.
Zähne und Augen bestehen aus Einlagen aus weißer Meeres-
schneckenschale. Auf den tierischen Ohren sind vierkantige,
kaltgesehmiedete Silbernägel mit aufgegossenen Goldküpfen ein-
geschlagen. Vor der Brust, sozusagen als Brustschmuck des
Brustschmuckes, trägt das Figürchen ein winziges Köpfchen aus
Gagat. Dieses Köpfchen ist mit halbmillimetergroßen Einlagen
aus Türkis, Malaehit, Perlmutter, roter Muschelschale, Ohsi-
dian und mexikanischem Onyx (grünlicher Calzit) verziert. Die
Rückseite des Figürchens ist hohl und gegen das Reißen des
Holzes mit Harz ausgegossen. Vielleicht befand sich dort ur-
sprünglich ein Spiegel aus geschliffenem Schwefeleisenerz oder
ein Bild der Sonne. Das ganze Stück ist mit braunem Lack
überzogen.
So ist auf kleinem Raum eine Unmenge von vergessenen Tech-
niken bezeugt, für die es sonst nirgends mehr Dokumente gibt.
Das Holzfigürchen ist mixtekisch, es stammt ebenfalls von den
hochkultivierten Völkern im Süden des Hochtales. Schon in vor-
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Seite 48 des Codex Vindobonensis. Quetzalcoatl als Gott des Morgen-
IslfFnS erhält im Himmcl von zwei Allen seine Kleidung und seinen
Schmuck und steigt sodann an einer Strickleiter vom Himmel herab.
Am Himmel hängen Sünm: und Mond, getragen von zwci Göttcrn.
Musvnum für Völkerkunde, Wien.
spanischer Zeit wurde Mexiko von dort mit Kunstgewerbe be-
liefert. Durch die Bundesgenossenschaft mit den Spaniern be-
günstigt, konnten diese Völker ihre Kultur noch während der
ersten Jahrzehnte der Kolonialzeit bewahren. Ein genauer Zeit-
punkt für das Eintreffen eines solchen Stückes in Europa läßt
sich unter diesen Umständen nicht erschließen.
Es gibt Belege dafür, dall Karl V. die in Brüssel zur Schau ge-
stellten Stücke in der Folge verschenkt hat. Ein kleiner 'l"eil
kam an den König von Portugal und von dort an die Medici;
ein anderer kleiner Teil kam nach Ausweis eines Wiener Ra-
tionars an seinen Bruder und möglicherweise, aber gcwiß nicht
vollzählig, an dessen Sohn, Erzherzog Ferdinand in Tirol. Ähn-
liches geschah mit den späteren Sendungen aus Mexiko. Bei
einer war schon vor der Absendung bestimmt, welche weltlichen
und geistlichen Persönlichkeiten die einzelnen Kisten zu er-
halten hätten.
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