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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 12)

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Detail aus der Bordüre des Inschriften- 
teppichs: Spicgelschrih mit quadratkufischen 
Zügen in der äußeren Umrahmung eines 
Achteckstcrncs. 
Der dekorative Schmuck des Inschriftenteppichs wird zur Haupt- 
sache aus Schriftlettern gebildet. Demgegenüber fallen die flo- 
ralen Motive weniger auf. Sie treten nur im Innenfeld der Mih- 
rab-Medaillons stärker hervor, wo sie in Form von Arabeskcn 
über einem Grund stilisierter Blütenranken gezeichnet sind. 
Es versteht sich von selbst, daß bei einem Teppich, der derart 
sakralen Zwecken gewidmet war, nicht nur die darein gekno- 
tcten Sprüche religiöser Natur sind, sondern auch die Blütenmo- 
tive mystisch-symbolische Bedeutung haben. Das Symbolisieren 
beginnt bei der Stilisierung an sich: sie verbirgt die Natur des 
Vorbildes und wird dadurch zum Geheimnis des Mystikers. Es 
endet im Unendlichen, der Gottheit, welche durch die Symbolik, 
die als Wesenheit dem Seienden zugeteilt ist, vom Mysten ge- 
schaut und erkannt werden kann. 
1st uns auch die Grundlage klar, aus der heraus die Motive kom- 
poniert wurden, so ist es für uns eben deswegen sehr schwer, die 
Zeichen im einzelnen zu erfassen und sicher zu deuten. Wir ver- 
meinen mehr, als wir nachweisen können, den vielblättrigen Lo- 
tos zu sehen. das Sinnbild der nach Gott dürstenden Seele, dann 
die Anemone, deren Äußeres ihrem Inneren so wenig gleicht, 
daß die Verachtung des göttlichen Freundes sie in Schmerz 
stürzt und des Wesens ihrer Schönheit beraubt, vielleicht auch 
die Blume entsagender Gedanken, den vierblättrigen Chirijj 
(Cheiranthus, Goldlack). Ansonsten noch häufig verwendete 
Symbole sind die Rose, sie steht als Sinnbild der göttlichen Schön- 
heit dem Dorn der Verneinung entgegen, weiter die Narzisse 
als das göttliche Auge und die Tulpe, sie ist der Becher, gefüllt 
mit dem Wein der göttlichen Liebe. - Vom Wesen dieser Sym- 
bole erfahren wir aus den Gedichten persischer Mystiker, von 
denen insbesonders Dschami sehr beliebt war. 
Neben den Blumenmotiven gibt es unten auf der Abschlußbor- 
düre unseres lnschriftenteppichs auch noch Wolkenbänder zu 
sehen, ein Motiv, das dem chinesischen Drachen entstammt und 
größte Verbreitung genoß. 
Die Hauptträger ornamcntalen Schmucks auf unserem Teppich 
sind Schriftlettern. Sie zeigen aufs deutlichste, in welch hohem 
Grade sich die arabische Kalligraphie dekorativen Zwecken an- 
passen konnte. je nachdem es im Belieben des Künstlers stand, 
wurde sie teils mit Hinblick auf die Symmetricachse, teils ohne 
dieses Erfordernis, bald rechts-, bald linksläufig komponiert und 
zwar sowohl in dem wabenförmig gemusterten Innenfeld wie 
auch in der Bordüre. 
Die Inschriften der Bordüre laufen über grundierenden Pflan- 
zenmotiven. Sie beginnen rechts unten mit normalen, nach links 
laufenden Zügen. Die Worte sind arabisch, deutlich in einer ver- 
zierten Abart der Näschi-Schrift geschrieben und lauten in der 
Übersetzung: „Es umfaßt sein Thron Himmel und Erde, beider 
Obhut bedrückt ihn nicht. Er ist der Erhabene, der Mächtige." 
Die Worte bilden einen Teil des „'I"hronverses", das ist der 256. 
Vers der zweiten, medinensischen Sure, welche Surat-al- 
baqarah, die Sure von der Kuh genannt wird. _,Die Surat-al- 
baqarah ist die tugendreichste", erklärt die Sklavin Tawaddud 
in der Erzählung von der 446. Nacht dern Koranisten, und der 
mächtigste Vers daraus ist der Thronvers. Es sind in ihm fünfzig 
Worte enthalten und jedes Wert enthält fünfzig Segnungen. 
- Es bedarf keiner Erwähnung, daß muslimische Gebete iauch 
von Persern arabisch gesprochen zu werden pflegen. 
Die zitierten Worte der Bordüre reichen bis zu dem achtcckigen 
Stern, der in verschlungencm Quadratkufi angelegt wurde. Dar- 
an schließt der Mittelteil der Bordüre, der in Näschi dieselben 
Worte aus dem Thronvers, aber in Spiegelschrift enthält. Sie 
reichen bis zum zweiten Stern aus quadratischem Kufi. Danach 
folgen, neuerlich in Näschi und in Spiegelsehrift, dieselben, be- 
reits zitierten Worte des Thronverses, die nach oben zu, im Eck 
der Lang- und Schmalseite, durch eine deutlich sichtbare, später 
angebrachte Flickstelle abgeschlossen werden. 
Der Umstand, daß dieser letzte Teil der Bordüreninschrift in 
Spiegelschrift geschrieben ist und kein Pendant in Normalsehrift 
erhalten hat, leitete, wie oben ausgeführt, I. Schlosser zur Ver- 
mutung. daß der Teppich ursprünglich länger konzipiert war, 
die Ausführung ides längeren, der Symmetrie einer Querachse 
entsprechenden Stückes aber unterblieb. 
Eigenartiges Interesse erwecken die mit Quadratkufi ausgefüll- 
ten Achtecksterne. Die Lesung wird erleichtert, wenn man einen 
Spiegel zu Hilfe nimmt und die Inschrift im Spiegel herausliest. 
Das ist ein Kunstgriff, dessen sich seinerzeit H. Lavoix (Gazette 
de beaux arts 2711885, S. 307) nicht bediente, der deshalb die 
Lesung desselben Kufi-Sternes auf dem von ihm dort besproche- 
nen Teppich der Sammlung Guupil (nachmals Paravicini) nicht 
fand. Spätere Bearbeiter wieder unseres Inschriftenteppichs be- 
gnügten sich mit dem Hinweis, daß H. Lavoix die Lesung schwie- 
rig gefunden habe. 
Es sei deshalb gestattet, vor der Übersetzung auch die lateinische 
Transkription der arabischen in Qadratkufi ausgeführten 
Werte zu bringen. Sie lauten: xubhana allahi wa-Fbamdu li-llahi 
wa la ilahn illa alluhu wa-llabu alebur, das ist: „Preis Allah und 
Lob Allah, es gibt keinen Gott außer Allah, Allah ist der größte." 
Auch bei diesen Kufi-Stcrnen wechselt die Schriftrichtung. Von 
insgesamt vier Sternen, die in die Bordüren verflochten sind, 
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