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Volltext: Alte und Moderne Kunst III (1958 / Heft 12)

nion. 
noch vor es sich stelle, muß der unvermeidliche Gegenstand 
bis zur Nichtmehrerkennbarkeit unter seiner früheren Bezeich- 
nung verändert werden. Erst dann öffnet sich die Pforte zum 
Pseudomusikischen des Zeichncns, Malens, Modellierens. Ist die 
Möglichkeit zum unendlichen Variieren der nicht abbildhaften, 
keiner Ähnlichkeit mit einem wirklich existierenden Originale 
verpflichteten, Themen gegeben. 
Natur und Kunst hängen nicht wie Ursache und Wirkung un- 
tcreinander zusammen, außer uns und auch ohne uns, sondern 
gehen nur im denkenden Subjekte diese innige Verbindung ein. 
Die grammatikalische Logik, von der das Vernunftwesen also 
beherrscht wird wie das Unvernünftigc vom Instinkt, setzt auch 
da Abhängigkeiten, wo nur ein allzudichtes Nebeneinander zwei- 
er Vorgänge den doch trennenden abgründigen Zwischenraum 
nicht sehen läßt. S0 kommt denn, bei solcher Sucht oder Leiden- 
schaft, überall zu kausalieren, man könnte auch sagen bei solcher 
Überschärle des Auges, zum gelegentlich-Ineinandcrverschwim- 
men auch vollkommen autarker Phänomene, daß also zwei Er- 
scheinungen für homolog gehalten werden, die nur analog sind. 
Das ist der Irrtum oder die Häresie der reinen Naturalistezi, 
die aus dem falschen materialistischen Vordersatze, daß auch 
das denkende Wesen nichts als nur ein Naturwesen sei, schlie- 
ßen, daß prinzipielle Unterschiede in dieser Gesamtnatur nicht 
existieren und daß die, welche uns als solche erscheinen, lediglich 
auf eine bald größere, bald kleinere Unähnlichkeit der Formen, 
aber bei allen gleicher Substanz zurückgeführt werden müssen. 
Verzeihen Sie die vielleicht etwas schwierige philosophische Zu- 
rechtrückung jenes Streitpunktes, über den sowohl Laien wie 
Künstler bis heute nicht sich haben einigen können und sich 
wahrscheinlich auch nie einigen werden, weil der uralte Gegen- 
satz von Materialismus und Idealismus die Grundtriebkraft der 
Dialektik darstellt und das Finden der absoluten Wahrheit durch 
das Gesamt der Menschheit jede Bewegung und somit das Leben 
selbst sofort beenden würde. 
Ist also, formuliere ich jetzt die Frage, das Tun des Künstlers 
ein Tun. nur auf einer etwas abgelegenen, sozusagen tropischen, 
nur wenig zugänglichen Ebene (wie etwa die kostbare Orchidee 
des Urwaldes nicht weniger Pflanze als unser ordinärcs Hecken- 
röslcin), oder tritt es als ein von Vordersätzen nicht abhängiges, 
dem Menschen als Menschen nicht eigentümliches Tun, gleich- 
sam aus dem metaphysischen Tor in die ganz anders geartete 
physische Wirklichkeit ein und als eine grundsätzlich neue dieser 
entgegen? Wenn ja - und das ist die idealistische Antwort -, 
dann herrscht zwischen Naturdingen und Kunstdingen bloß Ähn- 
lichkeit, bald eine größere, bald eine kleinere, jeweils bedingt 
durch das Überwiegen des Physischen über das Metaphysische 
im Künstler, trotz welchen Umstandes aber noch immer ver- 
nünftigerweise denkbar bleibt, daß gar keine Ähnlichkeit zu 
herrschen braucht. Und nun wird die Absurdität der naturalisti- 
schen Forderung erst ganz klar. Das Naturding und das Kunst- 
ding, die bestenfalls analog zueinander sich verhalten, sollen 
miteinander identisch werden. Sie werden es natürlich nie und 
nimmer, denn die zweidimensionale Leinwand ist kein dreidimen- 
sionaler Raum, und ein Kopf aus Bronze oder Stein ist kein 
denkender Kopf. Der konsequente Naturalismus scheitert also 
an seiner inkonsequenten Logik. 
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