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noch vor es sich stelle, muß der unvermeidliche Gegenstand
bis zur Nichtmehrerkennbarkeit unter seiner früheren Bezeich-
nung verändert werden. Erst dann öffnet sich die Pforte zum
Pseudomusikischen des Zeichncns, Malens, Modellierens. Ist die
Möglichkeit zum unendlichen Variieren der nicht abbildhaften,
keiner Ähnlichkeit mit einem wirklich existierenden Originale
verpflichteten, Themen gegeben.
Natur und Kunst hängen nicht wie Ursache und Wirkung un-
tcreinander zusammen, außer uns und auch ohne uns, sondern
gehen nur im denkenden Subjekte diese innige Verbindung ein.
Die grammatikalische Logik, von der das Vernunftwesen also
beherrscht wird wie das Unvernünftigc vom Instinkt, setzt auch
da Abhängigkeiten, wo nur ein allzudichtes Nebeneinander zwei-
er Vorgänge den doch trennenden abgründigen Zwischenraum
nicht sehen läßt. S0 kommt denn, bei solcher Sucht oder Leiden-
schaft, überall zu kausalieren, man könnte auch sagen bei solcher
Überschärle des Auges, zum gelegentlich-Ineinandcrverschwim-
men auch vollkommen autarker Phänomene, daß also zwei Er-
scheinungen für homolog gehalten werden, die nur analog sind.
Das ist der Irrtum oder die Häresie der reinen Naturalistezi,
die aus dem falschen materialistischen Vordersatze, daß auch
das denkende Wesen nichts als nur ein Naturwesen sei, schlie-
ßen, daß prinzipielle Unterschiede in dieser Gesamtnatur nicht
existieren und daß die, welche uns als solche erscheinen, lediglich
auf eine bald größere, bald kleinere Unähnlichkeit der Formen,
aber bei allen gleicher Substanz zurückgeführt werden müssen.
Verzeihen Sie die vielleicht etwas schwierige philosophische Zu-
rechtrückung jenes Streitpunktes, über den sowohl Laien wie
Künstler bis heute nicht sich haben einigen können und sich
wahrscheinlich auch nie einigen werden, weil der uralte Gegen-
satz von Materialismus und Idealismus die Grundtriebkraft der
Dialektik darstellt und das Finden der absoluten Wahrheit durch
das Gesamt der Menschheit jede Bewegung und somit das Leben
selbst sofort beenden würde.
Ist also, formuliere ich jetzt die Frage, das Tun des Künstlers
ein Tun. nur auf einer etwas abgelegenen, sozusagen tropischen,
nur wenig zugänglichen Ebene (wie etwa die kostbare Orchidee
des Urwaldes nicht weniger Pflanze als unser ordinärcs Hecken-
röslcin), oder tritt es als ein von Vordersätzen nicht abhängiges,
dem Menschen als Menschen nicht eigentümliches Tun, gleich-
sam aus dem metaphysischen Tor in die ganz anders geartete
physische Wirklichkeit ein und als eine grundsätzlich neue dieser
entgegen? Wenn ja - und das ist die idealistische Antwort -,
dann herrscht zwischen Naturdingen und Kunstdingen bloß Ähn-
lichkeit, bald eine größere, bald eine kleinere, jeweils bedingt
durch das Überwiegen des Physischen über das Metaphysische
im Künstler, trotz welchen Umstandes aber noch immer ver-
nünftigerweise denkbar bleibt, daß gar keine Ähnlichkeit zu
herrschen braucht. Und nun wird die Absurdität der naturalisti-
schen Forderung erst ganz klar. Das Naturding und das Kunst-
ding, die bestenfalls analog zueinander sich verhalten, sollen
miteinander identisch werden. Sie werden es natürlich nie und
nimmer, denn die zweidimensionale Leinwand ist kein dreidimen-
sionaler Raum, und ein Kopf aus Bronze oder Stein ist kein
denkender Kopf. Der konsequente Naturalismus scheitert also
an seiner inkonsequenten Logik.
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